Merkt's die Aufsicht?

Liebe Arbeitgeber, haben Sie schon diesen Trick versucht? Zeigen Sie den Prüfern von der Gewerbeaufsicht und der Berufsgenossenschaft, dass Sie psychische Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung einbeziehen, und zwar noch bevor sie ein mitbestimmtes Beurteilungsverfahren implementiert haben. Dazu muss die Gefährdungsbeurteilung nur ordnungsgemäß aussehen. Die Beurteilungsprozesse selbst schaut sich kaum eine Aufsichtsperson an. Damit beeindrucken Sie ohne viel Aufwand nicht nur die Prüfer, sondern auch ihre Mitarbeiter und sogar Zertifizierungsauditoren. Beeilen Sie sich, denn viele technische Aufsichtspersonen haben noch keine ausreichenden Kenntnisse im Bereich der psychischen Belastungen. Nutzen Sie diese Lücke so lange, wie es sie noch gibt.
Auch den an den Begehungen teilnehmenden Betriebsratsmitgliedern ist das Thema oft unheimlich und viel zu komplex. Sie sollten als Arbeitgeber aber sicherstellen, dass Betriebsratsmitglieder so mitwirken, das man das als Mitbestimmung darstellen kann. Auch sollten Betriebsratmitglieder an den Prüfungen (z.B. Begehungen) teilnehmen, denn das wird es denen später schwerer machen, am Arbeitsschutz Kritik zu üben. Sie müssten dann ja eigenen Fehler zugeben.
Sie brauchen für eine vorzeigbare Gefährdungsbeurteilunge gar keinen wirklich funktionierenden Gefährdungsbeurteilungsprozess, der womöglich auch noch mitbestimmt entwickelt werden muss. (So etwas vergeudet nur die Ressourcen, die sie für einen anderen Beurteilungsprozess brauchen: Die Leistungsbeurteilung, mit der Sie Minderleister nicht schützen, sondern aussortieren.) Den überforderten Prüfern reicht es, wenn Sie ein Ergebnis vorzeigen, das gut aussieht und ordentlich abgelegt werden kann. Das ist ganz einfach:

  • Behaupten Sie in der Gefährdungsbeurteilung, dass die Bildschirmarbeitsverordnung eingehalten wird, auch wenn es bei Ihnen noch keinen validiertes Verfahren zur Beurteilung psychischer Belastungen gibt. Es reicht den Revisoren nämlich, wenn in Ihrem Betrieb für Bildschirmarbeit nur bekannte Standardsoftware aus Redmond und Walldorf verwendet wird, weil die ergonomisch korrekt ist.
    Damit ist das Thema der psychischen Belastungen bei der Bildschirmarbeit erledigt, denn
    • das Zusammenwirken von Applikationen untereinander,
    • das Zusammenwirken von Applikationsnutzung und Arbeitsumgebung,
    • und Überlastungen, die mit Standardsoftware erst möglich werden,
    all das ist zu komplex für die Prüfer, von denen wohl nur die Wenigsten die LV 14 verstanden haben:

    Psychische Beanspruchung durch Bildschirmarbeit: Die Menge und die Darbietung der zu verarbeitenden Informationen kann zu Über- und Unterforderungserscheinungen führen. Mitunter erfordert Bildschirmarbeit die Fähigkeit, Handlungs- und Problemlösungsstrategien auf abstrakter Ebene zu finden. Geistige Tätigkeit, langandauernde Phasen hoher Anspannung oder Arbeiten unter Zeitdruck bzw. bei Störgeräuschen können Streßreaktionen hervorrufen. Im Fall von längerdauernden einförmigen Tätigkeiten bei zu starker Arbeitsteilung (z. B. reine Dateneingabe) können neben zunehmender Ermüdung auch Monotoniezustände auftreten. Individuelle Faktoren wie mangelnde Ausbildung und unzureichendes Training können die Beanspruchung zusätzlich erhöhen. [Quelle: LV 14, 1998]

    Es gab Betriebe, in denen in der Gefährdungsbeurteilung behauptet wurde, dass die Bildschirmarbeitsverordnung eingehalten werde, obwohl die in der LV 14 genannten psychische Belastungen nicht beurteilt wurden. Die Gewerbeaufsicht und die Berufsgenossenschaft blickten nicht durch und akzeptierten das.

  • Fügen Sie in der Gefährdungsbeurteilung zu den bisher dort aufgelisteten technischen Gefährdungskategorien nun “Psychische Belastungen” hinzu. Sehr beeindruckend finden es die Kontrolleure, wenn Sie darunter beispielsweise noch ein paar  psychischen Faktoren aus einer kleinen Tabelle der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie auflisten, z.B. “Arbeitsaufgabe”, “Arbeitsorganisation”, “soziale Bedingungen” sowie “Arbeitsplatz- und Arbeitsumgebungsbedingungen”. Das reicht den meisten Prüfern völlig. Speziell, wenn Sie nach OHSAS 18001 zertifiziert sind (weil der Trick auch mit Zertifikatoren funktioniert), ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich gering, dass Prüfer oder Auditoren genauer wissen wollen, wie Sie zu ihrer Beurteilung gekommen sind und ob Sie die Beurteilung nachvollziehbar begründet und klar verständlich dokumentiert haben.

Es geht ja nicht um den Schutz von zu schwachen Mitarbeitern, sondern es geht um Rechtssicherheit für das Top-Management.
(Diese ganze Geschichte ist natürlich nur ein der Phantasie entsprungenes Gedankenspiel für das Training von Revisoren im Arbeitsschutz. In einem fortgeschrittenen Land wie Deutschland käme kein Arbeitgeber mit solchen Tricks durch.)

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