Esoterische Unterwanderung

http://www.zeit.de/zeit-wissen/2011/04/Dossier-Esoterik-Esoterisierung (Bernd Kramer, Juni/Juli 2011)

Pseudowissenschaften
Esoteriker unterwandern die deutschen Hochschulen
Irrationale Esoterik-Lehren findet man bereits allerorten, auch in Behörden und Unternehmen. Der Unterschied zwischen Wissenschaft und Unsinn verwischt.

Einige esoterische Lehren sind auch deswegen attraktiv, weil sie ein Glaubensgerüst und Rechtfertigungsethiken bieten, die ihren Anhängern erlauben, sich anderer Menschen rücksichtslos bedienen zu dürfen. Der Trick der Gewissensbefreiung: Wenn unter Druck gesetzte Menschen ihre inneren Kräfte nicht selbst zur Erhaltung ihrer Gesundheit nutzen, dann sind sie selbst schuld. Esoterik bietet der Verantwortungslosigkeit nützliche Strukturen.
Überhaupt bietet die ZEIT Einiges zum Thema Esoterik: http://www.zeit.de/schlagworte/themen/esoterik.
Stichworte: Theosophie, Anthroposophie, Zukunftsdeutung, Radiästie, Geistheiler, The Secret, Reiki, Parapsychologie. Reinkarnationstherapie, Engeltherapie, Rebirthing, Fernheilung, Familienaufstellung.
Es gibt auch ein Video Dr. Max: Geister am Telefon – ZEIT WISSEN: http://www.youtube.com/watch?v=FdYdnYUrnJ0

Ein unfreundlicher Charakter steigert Gehalt und Karrierechancen

 
Siehe aber auch:

  • Mariam Lau: Endlich eine nette Oberschicht!, Merkur, Heft 619, 2000-11

Akzeptanz der Marktwirtschaft: Einkommensverteilung

Vertrauen in unser Wirtschaftssystem kann beruhigend wirken. Lesen sie hier also nach, warum Sie unser Wirtschaftssystem mögen sollten:
http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/gutachten-wissenschaftlicher-beirat-akzeptanz-der-marktwirtschaft,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf
Dieses Gutachten für das Bundeswirtschaftsministerium entstand in der letzten glaubensbedrohenden Krise. Die Selbstbezüglichkeit wirtschaftswissenschaftlicher Abhandlungen finde ich immer wieder faszinierend.
Zu Managergehältern (die auch in dem Gutachten thematisiert werden): Bevor in einem Unternehmen die Einkommen der Unternehmensführung erhöht werden, sollte sichergestellt sein, das ausreichende Budgets zur Erfüllung der Pflichten des Unternehmens eingeplant sind.

Die drei Selektionen von Wissenschaft

Es geht um die interessengesteuerte Selektion von Resultaten wissenschaftlicher Forschung:

  • Vorselektion
  • Nachselektion
  • Wegselektion

 

Vorselektion

Zwar fand ich beim Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (kurz ZAAR) in München keine Veröffentlichungen zum Thema der psychischen Belastungen, aber das Institut zeigt, wie die Wirtschaft Wissenschaft beeinflusst. Der Stand der Wissenschaft ist bei der Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes (ausfüllungsbedürftiges Rahmengesetz) ein wichtiges Kriterium. Achten Sie beim Hinzuziehen wissenschaftlicher Sachverständiger darauf, von wem und unter welchen Bedingungen deren Forschung finanziert wird.
Dabei ist es nicht so, dass sich die Arbeitgeber Forschungsergebnisse kaufen. Das ZAAR ist tatsächlich unabhängig. Aber die Glaubensrichtung der Wissenschaftler muss stimmen:
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=a2&dig=2011%2F07%2F02%2Fa0034&cHash=bcc251bf29


Der Vertrag [mit einer Siftung der Arbeitgeber] sieht ein “koordiniertes Berufungsverfahren” vor, bei dem zunächst die Hochschule nach ihren Regeln Arbeitsrechtsprofessoren beruft. Die Professoren werden dann sofort beurlaubt und gewissermaßen als Leiharbeiter an die Stiftung weitergereicht, die sie wieder anstellt. Zu welchen Konditionen, darüber verhandelt der Kandidat allerdings ausschließlich mit dem Stiftungsrat. Weitergedacht heißt das: Selbst wenn die Universität der abwegigen Idee verfallen sollte, einen arbeitnehmerfreundlichen Professor zu berufen, könnten die Stifter ihm die Stelle mit einem unattraktiven Vertrag madig machen. “Es wurden natürlich von vornherein nur Leute berufen, die der Arbeitgeberseite nahestehen”, sagt der Arbeitsrechtsprofessor Wolfgang Däubler von der Universität Bremen.
Das Ergebnis ist also ähnlich wie bei den theologischen Fakultäten – auch dort darf als Professor nur arbeiten, wer sich eindeutig zum entsprechenden Glaubenssystem bekennt. …

(Bernd Kramer, Abhängig Beschäftigt – LOBBYISMUS: Arbeitgeberverbände leisten sich für 55 Millionen Euro deri Lehrstühle an der Universität München, die tageszeitung, 2011-07-02, S. 30)
Wie unabhängig und überparteilich das ZAAR ist, bestimmt, wer es finanziert.
Volker Rieble ist Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in  München. Er wird gerne von der Süddeutschen Zeitung zitiert. Sein An-Institut wird direkt von den Arbeitgeberverbänden der bayerischen und baden-württembergischen Metallindustrie sowie der Bundesarbeitgeberverband Chemie finanziert. Mit einem Stiftungsvermögen von 55 Millionen Euro ausgestattet, entstand im Jahr 2004 das ZAAR an der LMU. Zwei weitere Professuren beim ZAAR haben Andrea Angleitner und Abbo Junker.

 

Nachselektion

Neben der Vorselektion der “richtigen” Wissenschaftler gibt es noch die Nachselektion der “richtigen” Forschungsergebnisse:

… Wie stark die Wissenschaft dabei geknebelt werden kann, zeigt das Beispiel zweier Berliner Universitäten, die sich in einem Vertrag mit der Deutschen Bank sogar verpflichteten, Forschungsveröffentlichungen vorab abzustimmen. …

(TAZ, ebd.)
 

Wegselektion

Der Dritte Weg ist der brutalste: Unerwünschter Wissenschaft wird der Geldhahn zugedreht. Es fällt in diesem Zusammenhang auf, dass ausgerechnet in einer Zeit steigender Aufmerksamkeit für organisationspsychologische Fragestellen die Forschung dazu an der Universität Oldenburg einfach dichtgemacht wurde. Da dort bei Friedhelm Nachreiner anscheinend weder Vor- noch Nachselektion funktionierte, blieb wohl nur noch die Wegselektion: Die Uni Oldenburg entfernte seinen Lehrstuhl. Daneben wurde in Lüneburg eine den Niedersachsen genehmere Forschung aufgebaut.

www.irrsinnig-menschlich.de

http://www.irrsinnig-menschlich.de/html/fakten___zahlen.html#Oekonomie

… Gesundheitsökonomische Aspekte
Fast zehn Prozent der Fehltage bei den aktiv Berufstätigen haben mit seelischen Gesundheitsproblemen zu tun. Am stärksten betroffen sind junge Frauen und Männer zwischen 15 und 34 Jahren! (DAK-Report 2005; Gutachten des „Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen“)
Frühverrentungen:
Schizophrenie und Depressionen zählen zu den zehn häufigsten Gründen für eine Frühverrentung bei Männern; bei Frauen stehen Depressionen an erster Stelle.
Im Vergleich zum Jahr 2000 stieg die Anzahl der Rentenanträge wegen Depressionen bei Männern um 23 Prozent, die Anzahl der Anträge aufgrund von Schizophrenie um 41 Prozent.
Im Jahr 2002 wurden über 7600 Frauen aufgrund von Depressionen zu Frührentnerinnen, 37 Prozent mehr als noch vor zwei Jahren.
Die wirtschaftlichen Kosten psychischer Gesundheitsprobleme belaufen sich schätzungsweise auf 3 bis 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. …

Tim Jackson's economic reality check

http://www.youtube.com/watch?v=NZsp_EdO2Xk
Tim Jackson’s economic reality check, 2010-10-05

Hier geht es um die dritte Ebene im Dreiebenenmodell: Natürlich ist eine versagende Glaubenslehre (Wachstumsdogmatik in den Wirtschaft) eine psychische Belastung.
 
Lesetipp:
Tim Jackson: Wohlstand ohne Wachstum, 2011, ISBN 978-3-86581-245-2

Wirtschafts-Burnout

http://www.oekom.de/index.php?id=736 (Pressemeldung, 2010-01-16)

ISBN 978-3-86581-191-2Wie wir den Kapitalismus zähmen
Die Systemkritik eines Top-Managers
Wie ist es möglich, dass nur wenige Monate nach dem Schock einer weltweit kollabierenden Wirtschaft die Jagd nach maßlosen Boni, unbegrenztem Wachstum und allein wirtschaftlichem Erfolg ohne Rücksicht auf Konsequenzen ungehindert fortgesetzt wird? Ein Insider, der die Schaltzentralen der Macht jahrzehntelang selbst bedient hat, stellt in „Burn out. Wie wir eine aus den Fugen geratene Wirtschaft wieder ins Lot bringen“, das am 10. März im oekom verlag erscheint, die erschütternde Diagnose: Wenn wir weiterhin dem Spiel der freien Märkte freien Lauf lassen, ist der nächste Kollaps vorprogrammiert. In seiner Systemkritik rechnet der ehemalige Wirtschaftsboss Peter H. Grassmann mit einer ausgebrannten und überhitzten globalen Marktwirtschaft ab. Doch er stellt nicht nur unser Wirtschaftssystem in Frage; er gibt auch Antworten und zeigt, wie die Kraft des Dialogs die Welt wieder in die Balance bringen kann.
„Ich gehörte zu denen, die man vor der Wut der Benachteiligten schützen musste, der keine Antwort hatte auf deren Probleme. Gab es wirklich keine?“  Mit dieser Frage beginnt Peter H. Grassmann seine ebenso selbstkritische wie aufrüttelnde Abrechnung mit einem korrupten Wirtschaftssystem, in dessen Führungsetagen er selbst jahrelang saß. Wenige Schlüsselerlebnisse brachten den Siemens-Top-Manager zum Umdenken und er erkannte die wichtigsten gesellschaftlichen und politischen Schieflagen: Die Unruhe in der Gesellschaft wächst. Die Marktwirtschaft hat bei großen gesellschaftlichen Themen versagt. Und die Antwort der Politik auf die Krise ist völlig unzureichend. Die korrigierenden Kräfte sind zu schwach, die Bemühungen der zivilgesellschaftlichen Organisationen zersplittern. Grassmann schlägt einen neuen, einen dritten Weg vor, zwischen markt-radikalem Macho-Kapitalismus und Staatsgläubigkeit – diesen Weg des gesellschaftlichen Dialogs begreift er als Modell für eine sozialere Marktwirtschaft mit mehr Gemeinsinn und Generationengerechtigkeit. In seiner Road-Map Burn out fordert er vor allem die Mitbestimmung der Zivilgesellschaft in Unternehmen und die Entwicklung eines branchenspezifisch verpflichtenden Wertekodex. Allgemeinverständlich, aber mit wirtschaftlichem Sachverstand entwirft Grassmann seine Vision von ziviler Mitbestimmung als neue gesellschaftliche Kraft mit weniger Staat und mehr Mitsprache, orientiert an den Zielen der Nachhaltigkeit und der sozialen Verantwortung. Ein Buch, das den entscheidenden Anstoß gibt für eine breite gesellschaftliche Debatte nach der Finanzkrise.
„Und genau dieses Bewusstsein, auch als Einzelner etwas tun zu können, ist der erste Schritt zu einer umfassenden Antwort: weil wir damit nicht mehr auf den Staat allein warten, sondern viel stärker auch mit unserer Kraft, der Kraft der Zivilgesellschaft, die Themen in die Hand nehmen und einen neuen Weg verstärkter Mitsprache gehen.“ (Peter H. Grassmann)
Peter H. Grassmann promovierte im Bereich Plasmaphysik am Max-Planck-Institut bei Werner Heisenberg. Er war Generaldirektor und Vorstandsmitglied für den Bereich Medizinische Technik bei der Siemens AG und als Vorstandsvorsitzender Sprecher des Vorstands bei Carl Zeiss Oberkochen und Jena. Heute ist er Vorstandsvorsitzender der Umwelt-Akademie e.V.

(Links nachträglich eingefügt)
So etwas sehe ich immer mir gemischten Gefühlen. Nach meiner Erfahrung nagten und nagen die Erkenntnisse Peter Grassmanns nicht nur an ihm, sondern auch an sehr vielen anderen “Wirtschaftsbossen” und Führungskräften. Aber solange sie im Geschäft sind, bringen sie gerade wegen dieser Erkenntnisse erst einmal für sich und ihre Familie die Schärflein in’s Trockene. Je mehr, desto besser, denn in der Zukunft wird’s eng. Dafür müssen Hoffnung versprochen und Zweifel an Wachstumsversprechen tabuisiert werden, wie sonst soll man die unverschämten Wachstumsziele der modernen Wirtschaft erreichen? Wer gut ausgesorgt hat, kann dann systemkritisch Bescheidengeit predigen.