Überlastungsanzeige

Wenn die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten, müssen sich die davon betroffenen Mitarbeiter zunächst an den Arbeitgeber wenden (siehe auch § 16 und § 17 ArbSchG). Das ist in der Praxis nicht immer leicht, weil Arbeitgeber, die das Arbeitsschutzgesetz nicht so ernst nehmen, dazu geneigt sein könnten, sich “fürsorglich” gleich den Mitarbeitern zuzuwenden anstelle pflichtgemäß erst einmal die Belastungssituation zu beurteilen. In Betrieben mit einer (kompetenten) Arbeitnehmervertretung kann es deswegen sicherer sein, sich zunächst an den Betriebsrat oder den Personalrat zu wenden.
Was hier noch stört, ist der Begriff “Überlastungsanzeige”. Überlastung ist negativ besetzt, und zwar oft in Bezug zu den betroffenen Mitarbeitern und nicht zum Arbeitsplatz. Allein der Begriff kann Arbeitnehmer schon davon abhalten, Gefährdungen oder Fehlbelastungen zu melden. Wer möchte schon eine Überlastung zugeben? (Und wie wird mit so einer Anzeige Unterlastung gemeldet?) Eine gute Arbeitnehmervertretung sorgt darum für einen Arbeitsschutzprozess, der Fehlbelastungsanzeigen (eventuell auch Gefährdungsanzeigen) regelt.
Ein von Betriebsr:aten verwendbares Formular für eine Anzeige könnte so aussehen:

Fehlbelastungsanzeige
Hiermit wird eine Belastung in der Kategorie psychische Belastungen gemeldet, die als mögliche Fehlbelastung in der Arbeitsplatzgruppe _________________ wirken könnte. Der Arbeitsschutzausschuss des Betriebsrates hält es deswegen für erforderlich, die Gefährdungsbeurteilung für diese Arbeitsplatzgruppe daraufhin zu überprüfen, ob die hiermit gemeldete Belastung eine Gefährdung der Sicherheit und Beeinträchtigung des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit darstellt.
Beschreibung der Belastung: ______________________ …
Diese Fehlbelastungsanzeige ist ein der Gefährdungsbeurteilung dienendes Dokument gemäß § 6 ArbSchG. Sollte diese Anzeige nicht als “Fehlbelastungsanzeige” erfasst und archiviert werden können, dann ist sie ersatzweise als “Überlastungsanzeige” zu erfassen und zu archivieren.

Konsequenzen aus dem Burn-out-Ranking

Fortsetzung von http://blog.psybel.de/2012/06/08/manager-magazin-burn-out-ranking/:
Habe mit heute einmal die Tabelle angesehen: Die Asklepios-Kliniken vermuten, dass von von den mehr als 1,5 Millionen Mitarbeitern in DAX-Unternehmen etwa 47000 bis 100000 Mitarbeiter vom Burn-out betroffen sind. Das sind etwa 3.1% bis 6.4%, also im Durchschnitt 4.7%. Basis ist eine im manager magazin 2012-06 veröffentlichte Tabelle – mit allerdings ziemlich mutigen Extrapolationen möglicherweise etwas magerer Daten.
Auch etwas belastbarere Daten zeigen, dass so abschreckend der angeblich seit schon vielen Jahren mögliche “knallharte Strafkatalog” nicht zu wirken scheint. Es wird vermutlich sogar keine einzige knallharte Strafe für eine von mangelhafter Prävention verursachte psychische Erkrankung gegeben haben.
Die Beunruhigungspille der Ministerin Ursula von der Leyen ist in Wirklichkeit eine Beruhigungspille an die Unternehmer: Ernstaft unternimmt die Politik nichts. Sie wedelt nur ein bisschen mit einem Strafkatalog zur Volksberuhigung, wird die ernsthafte Anwendung dieses Katalogs aber auch weiterhin bremsen.
Die eigentliche Konsequenz aus dem Burn-out-Ranking ist, dass Prävention ernsthafter betrieben und genauer beurteilt werden muss. Das ist zuverlässiger als gewagte Statistiken:

  • Ernsthafte und kompetente Kontrollen der Unternehmen durch Aufsichtsbehörden.
  • Überprüfung der Übereinstimmung der Prozessbeschreibung eines Unternehmens zur Umsetzung der Bildschirmarbeitsverordnung mit der tatsächlichen Umsetzungspraxis.
  • Veröffentlichung der Protokolle von behördlichen Kontrollen eines Unternehmens an alle Mitarbeiter des Unternehmens (also nicht nur an den Betriebsrat).
  • Ernsthafte Überprüfung der vorgeschriebenen Arbeitsschutz-Dokumentation und darin insbesondere der Gefährdungsbeurteilungen. (Kennen und Verstehen die Mitarbeiter den Inhalt und die Bedeutung der Gefährdungsbeurteilungen zu ihren Arbeitsplätzen inzbesondere hinsichtlich des Einbezugs psychischer Belastungen? Kennen sie die Bildschirmarbeitsverordnung und wird sie tatsächlich eingehalten?)
  • Ernsthafte Überprüfung der vorgeschriebenen Arbeitsschutz-Unterweisungen an das untere Management. (Versucht das Top-Management, Verantwortung in das untere Management zu verlagern, ohne die Mitarbeiter und Vorgesetzten über ihre Pflichten und Rechte aufzuklären? Werden nur Webtrainings gegeben, die wenig wirksame Pflichtübungen zum formalen Abhaken von Vorschriften sind?)
  • Proaktive behördliche Unterstützung der Betriebsräte bei der Ausübung der Pflicht zur Mitbestimmung im Arbeitsschutz. (Betriebsräte sind angesichts der Realität des Umgangs mit dem Arbeitsrecht und mit den Schutzrechten für Arbeitnehmer in Deutschland in einer Zwickmühle: Sprechen sie im Betrieb Regelwidrigkeiten an, dann beschwert sich die Arbeitgeberin, der Betriebsrat würde die harmonische Zusammenarbeit stören und Führungskräfte persönlich angreifen. Halten sie sich zurück – womöglich in Anwesenheit von Aufsichtspersonen der Berufsgenossenschaften oder der Gewerbeaufsicht -, dann missachten sie ihre Pflicht zum Schutz der Mitarbeiter und geben u.U. auch noch stillschweigend ihr Einverständnis zu Dingen, mit denen sie nicht einverstanden sein dürfen.)
  • Stärkung der Unabhängigkeit von Betriebsärzten und Arbeitsschutzbeauftragten. (Der Arbeitgeber hat auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung für eine angemessene arbeitsmedizinische Vorsorge zu sorgen. Wie kommt es, dass diese Vorschrift (§3 ArbMedVV) von der Mehrheit der Unternehmen in Deutschland beim Einbezug psychischen Belastungen in den Arbeitsschutz noch nicht beachtet wird? Haben die Betriebsärzte Angst, eine vollständige Gefährdungsbeurteilung einzufordern, obwohl ihnen die Bedeutung der Gefährdungsbeurteilung als Grundlage der Primärprävention bekannt ist? Was haben sie zu befürchten, wenn sie den Arbeitgeber auffordern, ihnen diese Grundlage nicht weiterhin zu verwehren? Entstehen den Arbeitsschutzbeauftragten Nachteile, wenn sie psychische Belastungen (unter Beachtung der betrieblichen Mitbestimmung) in Gefährdungsbeurteilung einbeziehen und damit ihre Aufgabe pflichtgemäß erfüllen?)
  • Haftung des Unternehmens gegenüber psychisch erkrankten Mitarbeitern mit Erschöpfungsdepression schon dann, wenn der Arbeitgeber zwar nur ein möglicher Mitverursacher der Erkrankung ist, aber dazu aktuell oder in den Jahren vor der Erkrankung (deswegen müssen auch vergangene Pflichtverletzungen in den Unternehmen untersucht werden!) noch erhebliche Mängel beim Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz festgestellt wurden. Wichtig wäre es auch, dass Berufsgenossenschaften, Berufsunfähigkeitsversichererer und Krankenversicherer sich leichter Versicherungsleistungen erstatten lassen können, die von fahrlässig ihre Mitarbeiter körperverletzenden Unternehmen verursacht wurden.

Wenn Unternehmen einen ordentlichen Arbeitsschutz betreiben, dann braucht sie irgendein “Burn-our Ranking” nicht zu interessieren.
Ich weiß nicht, ob die von Gewerkschaften geforderte Anti-Stress-Verordnung oder sonstige neue Bestimmungen etwas bringen. Eine Stärkung der Arbeitnehmervertretungen könnte helfen, mit den bestehenden Arbeitsschutzvorschriften auszukommen. Es gibt ja bereits seit 1996 ein Gesetz. Es gibt darauf aufbauende Verordnungen und gerichtliche Beschlüsse. Nur wurden die Regeln in der Praxis kaum durchgesetzt obwohl beispielsweise die Bildschirmarbeitsverordnung sehr gut überprüfbar ist. Davon wird aber kaum Gebrauch gemacht. So kann es passieren, dass Aufsichtspersonen in einem Betrieb, von dem sie wissen, das psychische Belastungen nicht ordnungsgemäß beurteilt werden, es durchgehen lassen, dass in Gefährdungsbeurteilungen steht, die Bildschirmarbeitsverordnung werde eingehalten. Uns fehlen keine Schutzgesetze, sondern der Respekt vor ihnen ist abhanden gekommen.
(Nachbearbeitung: 2011-06-17)

Gefährdungsbeurteilung:Eine Gefahr für den Arbeitgeber?

http://www.arbeitsrechtsforum-hannover.de/JH_Gefaehrdungsbeurteilung_ArbSchG_190110.htm (nicht mehr aktiv)

Die Gefährdungsbeurteilung nach dem ArbSchG
– eine Gefahr für den Arbeitgeber? – 
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Dr. Jörn Hülsemann, Hameln
Was wir heute besprechen wollen:

  • Die rechtliche Verpflichtung zur Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen.
  • Die rechtliche Verpflichtung zur Dokumentation dieser Gefährdungsbeurteilungen.
  • Die arbeitsrechtlichen Rechtsfolgen einer unterbliebenen Gefährdungsbeurteilung
  • Die weiteren Rechtsfolgen einer unterbliebenen Gefährdungsbeurteilung bzw. deren Dokumentation.
  • Bußgeldrechtliche Folgen
  • Strafrechtliche Folgen

 
http://www.hwk-bremen.de/fileadmin/user_upload/PDF/Arbeits-_u._Umweltschutzberatung/01.03.2011_-_Haftung_Arbeitsschutz/Praesentation_-_Haftung_Arbeitsschutz_-_von_Dr._Huelsemann.pdf (nicht mehr aktiv)
Pflichten und Handlungsrisiken im Arbeitsschutz
Dateititel: Der Arbeitgeber zwischen Pflicht und Kür  – Wege zur Rechtssicherheit
Dateidatum: 2011-02-03
58 Seiten

Berufsunfähigkeitsversicherung

http://mein-bewerberblog.de/die-berufsunfahigkeitsversicherung-–-absicherung-der-arbeitskraft/

… Vor allem Berufsunfähigkeiten durch psychische Erkrankungen machen es immer mehr Arbeitnehmern unmöglich, ihrem ausgeübten Beruf nachzugehen. Auffällig ist, dass auch immer mehr junge Menschen von Berufsunfähigkeit betroffen sind – vor allem durch psychische Belastung im Beruf. …

Natürlich werden mit der Furcht vor einer psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit auch Geschäfte gemacht. Aber ist dagegen etwas einzuwenden? “Versicherungsdenken” ist kein Fehler.
Für alle Fälle sollten Sie die Gefährdungsbeurteilung (wenn es eine gibt) zu ihrem Arbeitsplatz zu ihren persönlichen Unterlagen nehmen, ggf. auch zu ihrer Patientenakte bei ihrem Hausarzt. Das Dokument (der sein Fehlen) kann für die Versicherung interessant sein. Dokumentieren Sie ihre Arbeitsbedingungen und die Qualität des Arbeitsschutzes Ihres Arbeitgebers sachlich und exakt auch für ihre Familienangehörigen. Dokumentieren Sia auch Falschaussagen in Arbeitsschutzdokumenten (z.B. Einhaltung der Bildschirmarbeitsverordnung trotz Fehlen eines mitbestimmten Prozesses für ganzheitliche Gefährdungsbeurteilungen). Auch das kann eine Versicherung sein.
Ein Satz von Kopien ihrer Dokumente (oder ein Teil davon) kann auch der Arbeitnehmervertretung helfen, ihre Pflichten wahrzunehmen.

Unerhört!

Süddeutsche Zeitung 2011-05-13:

Nun hat sich auch der neue Gesundheitsminister [Daniel Bahr] eingemischt und die Krankenkassen, die eine Übernahme von Versicherten aus der pleitegegangenen City BKK verweigern, scharf gerügt. “Dieses Vorgehen der Krankenkassen ist unerhört, und dieses Vorgehen ist rechtswidrig”, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums am Freitag in Berlin. Die Versicherten der City BKK hätten das Recht, ihre künftige Krankenkasse frei zu wählen.

Daniel Bahr bereitete bisher die Politik Philipp Röslers vor, nun kann er sie als Gesundheitsminister selbst machen. Seine Empörung über rechtswidriges Vorgehen ist aber unangebracht, denn sein eigenes Ministerium marginalisiert doch auch die Gesetze und die Rechtsprechung.
Beispiel: Die Mehrheit der deutschen Unternehmen setzt die Vorschriften des ganzheitlichen Arbeitsschutzes schon seit vielen Jahren einfach nicht um. Das Bundesgesundheitsministerium kommt aber in seinen Empfehlungen nicht auf die Idee, diesem rechtswidrigen Verhalten vieler Arbeitgeber wenigstens mit ordentlicher Aufklärung zu begegnen. Zitat (mit von mir eingefügten Erweiterungen und Korrekturen):

Die Betriebliche Gesundheitsförderung umfasst Maßnahmen, die auf das Verhalten von Menschen ausgerichtet sind (Verhaltensprävention) und Maßnahmen, die [auf die] Arbeitsbedingungen analysieren [ausgerichtet sind] (Verhältnisprävention). [Dabei beginnt die Verhältnisprävention mit der Analyse von Gefährdungen durch mögliche physische und psychische Fehlbelastungen.] Oftmals ist eine klare Trennung in der Praxis nicht möglich und auch nicht sinnvoll, da die Bereiche sich gegenseitig beeinflussen. [Hinsichtlich der Vorschriften des Arbeitsschutzes hat jedoch die Verhältnisprävention Vorrang vor der Verhaltensprävention: Der Arbeitsschutz fragt nicht nach “auffälligen” Mitarbeitern, sondern nach auffälligen Arbeitsplätzen!]
So verursachen z.B. Über- und Unterforderung von Beschäftigten Stress und Demotivation. Um diese Auswirkungen zu vermeiden sind neben Kursen zur Stressbewältigung auch Änderungen der Arbeitsbedingungen notwendig [können neben notwendigen Änderungen der Arbeitsbedingungen (vorgeschriebene Verhältnisprävention) beispielsweise auch Kurse zur Stressbewältigung angeboten werden (zusätzliche Verhaltensprävention)]. Nachfolgend sind mögliche Maßnahmen beispielhaft dargestellt:

Kategorie Verhaltensorientierte Maßnahmen Verhältnisorientierte Maßnahmen
Ganzheitlicher Arbeitsschutz Kurse der Gewerbeaufsicht für Firmenleitungen

Kurse der Gewerbeaufsicht für Betriebs- und Personalräte:

Klare Information der Aufsichtsorgane im Internet an Arbeitnehmer

Befolgung der Arbeitsschutzvorschriften und der Mitbestimmung beim Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz, z.B.:

Ernährung Ernährungskurse, Ernährungsberatung gesunde Kantinenkost
Bewegung/Ergonomie Rückenkurse, Walking gesundheitsfördernde Arbeitsplatzgestaltung
Stressbewältigung Kurse zur Entspannung, Stressmanagement, Weiterbildung gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung
Suchtprävention Kurse zur Tabakentwöhnung, Hilfs- und Beratungsangebote Rauchfreier Betrieb, Verbesserung des Betriebsklimas (Mobbing, Mitarbeiterführung)
Organisationsgestaltung   Etablierung von Gesundheitszirkeln, bauliche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung
Arbeitsgestaltung   Arbeitsplatzwechsel, flexible Arbeitszeiten
Unternehmenskultur   Leitbild, transparente Kommunikation, Führungskompetenz, Mitbestimmung
Aufsicht   Ausreichende Ausstattung der Berufsgenossenschaften und Gewerbeaufsichten, damit Aufsichtspersonen wirklich ernsthaft prüfen können.

(Quelle: Bundesgesundheitsministerium. Da die Tabelle unvollständig ist, habe ich noch zwei Tabellenzeilen und ein Wort nachträglich hinzugefügt.)
Die folgende Behauptung im Web-Auftritt des Ministeriums ist schlicht falsch:

Die Betriebliche Gesundheitsförderung umfasst Maßnahmen, die auf das Verhalten von Menschen ausgerichtet sind (Verhaltensprävention) und Maßnahmen, die Arbeitsbedingungen analysieren (Verhältnisprävention).

Prävention (welcher Art auch immer) kann sich sich natürlich nicht nur auf die Analyse beschränken, sondern die Analyse ist nur ein Teil der Maßnahmen der Verhältnisprävention! Sie ist der erste Schritt für weitere Maßnahmen. Vergessen hat das BMG die Maßnahmenfestlegung, die Implementierung der Maßnahmen, die Wirksamkeitskontrolle der Implementierung sowie die all das begleitende Dokumentation und Unterweisung.
Eigentlich gehe ich davon aus, dass im Bundesgesundheitsministerium sowohl der Umfang der Verhältnisprävention wie auch der Vorrang der Verhältnisprävention vor der Verhaltensprävention bekannt sein sollte. Dann wäre dem Ministerium hier kein Fehler unterlaufen, sondern es würde Desinformation verbreiten, mit dem Ziel der Marginalisierung der Vorschriften und der Rechtsprechung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz. Eine Alternative zu meiner Unterstellung ist Unwissen im Ministerium, zumindest bei der Überprüfung eines vielleicht von externen Beratern geschriebenen Textes. Das wäre aber auch keine gute Entschuldigung.
Zwar ist auf Bundesebene das Bundesministerium für Arbeit und Soziales für den Arbeitsschutz zuständig; wenn jedoch das Bundesministerium für Gesundheit Gesundheitsthemen in der Arbeitswelt aufgreift, dann sollte auch dieses Ministerium die Gelegenheit nutzen, seit 1996 nun wirklich nicht mehr unabsichtlich übersehene Pflichten der Arbeitgeber im Arbeitsschutz darzustellen. Es wäre allerdings ein Vorurteil, jetzt bei einem FDP-geführten Ministerium libertäre Nachsicht gegenüber unternehmerischen Pflichtverletzungen zu vermuten, denn bereits seit 1996 haben fast alle Parteien die Verwirklichung des ganzheitlichen Arbeitsschutzes vernachlässigt. Da die Bürger einen großen Teil ihres Lebens in der Arbeitswelt verbringen, ist der Arbeitsschutz jedoch keine unwichtige Nebensache.
 
Siehe auch: http://blog.psybel.de/2011/03/07/arbeitsschutz-in-bg/

Fehlbelastungsmeldung

Stellen Sie als Mitarbeiter eine von ihrem Arbeitsplatz (oder von einer Kombination von Arbeitsplätzen und Arbeitsaufgaben) ausgehende Fehlbelastung fest, dann überprüfen Sie zunächst, ob diese Belastung in der zu ihrem Arbeitsplatz gehörenden Gefährdungsbeurteilung beschrieben worden ist.
Fehlt die Fehlbelastung in der Gefährdungsbeurteilung oder reichen die daraus abgeleiteten Maßnahmen und Unterweisungen zur Vermeidung oder Minderung der Fehlbelastung nicht aus, dann formulieren Sie Ihre Beschreibung des vermuteten oder festgestellten Gefährdungsrisikos am Besten zusammen mit dem Arbeitssicherheitsausschuss ihres Betriebsrates oder Personalrates als Fehlbelastungsmeldung an den Arbeitgeber. Dieser hat häufig einen Arbeitsschutzbeauftragten oder einen Arbeitssicherheitsbeauftragten mit der Bearbeitung solcher Meldungen beauftragt.
In der Meldung beschreiben Sie die von Ihnen vermutete oder festgestellte Fehlbelastung . (“Überlastung” ist hier ein eher problematischer Begriff.) In welcher Weise diese Belastung Sie persönlich beansprucht, brauchen Sie dem Arbeitgeber nicht zu beschreiben. Sie können das aber gegebenenfalls mit Ihrem Hausarzt und/oder Familienangehörigen besprechen und bei diesen Vertrauenspersonen eine Kopie der Fehlbelastungsmeldung hinterlegen.
Eine der Grundlagen Ihrer Fehlbelastungsmeldung ist das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG):

§ 17 Rechte der Beschäftigten
(1) Die Beschäftigten sind berechtigt, dem Arbeitgeber Vorschläge zu allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit zu machen. Für Beamtinnen und Beamte des Bundes ist § 125 des Bundesbeamtengesetzes anzuwenden. Entsprechendes Landesrecht bleibt unberührt.
(2) Sind Beschäftigte auf Grund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung, daß die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten, und hilft der Arbeitgeber darauf gerichteten Beschwerden von Beschäftigten nicht ab, können sich diese an die zuständige Behörde wenden. Hierdurch dürfen den Beschäftigten keine Nachteile entstehen. Die in Absatz 1 Satz 2 und 3 genannten Vorschriften sowie die Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung und des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages bleiben unberührt.

Gegebenfalls können Sie sogar verpflichtet sein, eine Fehlbelastung zu melden (§16 und § 15 ArbSchG).
Die Fehlbelastungsmeldung bzw. Fehlbelastungsanzeige muss der Arbeitgeber gemäß § 6 ArbSchG zu seinen Dokumenten nehmen. Auch die Auseinandersetzung mit der Meldung muss dokumentiert sein, insbesondere wenn ein Arbeitsschutzmanagementsystem z.B. nach OHSAS 18001 vorhanden ist. Besteht eine Arbeitnehmervertretung, muss die Analyse Ihrer Meldung mit dieser Arbeitnehmervertretung vereinbart worden sein. Der Arbeitgeber (z.B. der von ihm beauftragte Arbeitsschutzbeauftragte) kann eine Fehlbelastungsmeldung nicht nach eigenem Gusto als irrelevant einstufen.
Soweit die Theorie: In der wirklichen Welt könnte Arbeitgeber allerdings versucht sein, verschiedene Gesetze zu brechen und Fehlbelastungsanzeigen zu unterdrücken. Wenn Ihnen dann kein guter Betriebsrat helfen kann, brauchen Sie eventuell einen Rechtsanwalt.

§ 17 Rechte der Beschäftigten

(1) Die Beschäftigten sind berechtigt, dem Arbeitgeber Vorschläge zu allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit zu machen. Für Beamtinnen und Beamte des Bundes ist § 125 des Bundesbeamtengesetzes anzuwenden. Entsprechendes Landesrecht bleibt unberührt.
(2) Sind Beschäftigte auf Grund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung, daß die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten, und hilft der Arbeitgeber darauf gerichteten Beschwerden von Beschäftigten nicht ab, können sich diese an die zuständige Behörde wenden. Hierdurch dürfen den Beschäftigten keine Nachteile entstehen. Die in Absatz 1 Satz 2 und 3 genannten Vorschriften sowie die Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung und des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages bleiben unberührt.

Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung

Damit die als Pressemeldung formulierte Position des VDSI (Verband Deutscher Sicherheitsingenieure e.V.) bekannter und mit einer Suche innerhalb dieses Blogs gefunden wird, gibt es den Text auch hier als Blogeintrag.
https://ssl.vdsi.de//webcom/show_article.php/_c-40/_nr-198/_p-1/i.html:

Dokumentationspflicht bei Gefährdungsbeurteilungen 
VDSI veröffentlicht Positionspapier.
Der VDSI befürwortet eine Dokumentationspflicht bei Gefährdungsbeurteilungen aus den folgenden Gründen:

  • Die systematische Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen und die anschließende schriftliche Dokumentation stellen wichtige Instrumente in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess dar. Maßnahmen in der Arbeitssicherheit und im Gesundheitsschutz müssen dokumentiert werden, um als Entscheidungsgrundlage für künftige Entwicklungen herangezogen werden zu können.
  • Eine schriftliche Dokumentation der Ergebnisse von Gefährdungsbeurteilungen erhöht die Rechtssicherheit der für den Arbeitsschutz verantwortlichen Personen.
  • Die Unfallverhütungsvorschrift “Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit” (DGUV Vorschrift 2), die zum 1. Januar 2011 in Kraft treten wird, sieht unter anderem vor, den betriebsspezifischen Betreuungsumfang anhand der betrieblichen Gefahrenlage zu ermitteln. Die schriftliche Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung hilft, die notwendigen Daten für die Festlegungen zu gewinnen.
  • Der Europäische Gerichtshof hat bereits vor Jahren die besondere Bedeutung der Dokumentationspflicht bei Gefährdungsbeurteilungen hervorgehoben. Die immer wiederkehrende Diskussion über eine mögliche Aufweichung der Dokumentationspflicht setzt ein falsches Signal in einem vereinten Europa, das sich für gesunde und sichere Arbeitsplätze einsetzt.
  • Die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung ist eine Grundvoraussetzung für die Teilnahme an alternativen Formen der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung (Unternehmermodellen) der Unfallversicherungsträger.

Durch seine mehr als 5.200 Mitglieder, die als Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit tätig sind, verfügt der VDSI über ein hohes Maß an Praxiserfahrung zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen in KMU [Kleine und mittlere Unternehmen]. In dem Positionspapier werden die oben genannten Punkte weiter ausgeführt. Das Positionspapier gibt auch einige Praxisbeispiele für den Nutzen einer Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung.

VDSI-Mitglieder können im Internet das Positionspapier im passwortgeschützten Mitgliederbereich der Website des Vereins herunterladen.
Zur Dokumentationspflicht siehe auch: http://blog.psybel.de/arbschg-aenderung-ist-eine-klarstellung/#Dokumentationspflicht

Dokumentation

http://www.ergo-online.de/site.aspx?url=html/gefaehrdungsbeurteilung/grundlagen_und_anforderungen/dokumentation.htm
Regine Rundnagel

  • Die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung ermöglicht dem Betrieb die Entwicklung und Steuerung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes.
  • Sie beinhaltet die Gefährdungsbeurteilung, die Verbesserungsmaßnahmen und die Ergebnisse der Überprüfung.
  • Zusammengefasste Angaben sind möglich, wenn Gefährdungssituationen gleichartig sind.
  • Auch alle Unfälle müssen dokumentiert werden.
  • Ausgenommen sind Betriebe mit 10 und weniger Beschäftigten.

Dokumentation ist immer sinnvoll

Verschiedene Gründe sprechen dafür, die Aktivitäten, Maßnahmen und Ereignisse im betrieblichen Arbeitsschutz zu dokumentieren:
Die Dokumentationspflicht ist ein grundlegender Bestandteil eines systematischen und geplanten Arbeits- und Gesundheitsschutzes im Betrieb. Sie soll zur Evaluierung, d.h. Überprüfung der Wirksamkeit von Maßnahmen geeignet sein.
Ohne Dokumentation der betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzaktivitäten lässt sich die Pflicht zur betrieblichen Selbstüberwachung nicht sinnvoll durchführen. Schriftliche Unterlagen sind daher unverzichtbar. …

"Das Leben ist einfach wunderbar zu mir"

Maßnahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM), die mit Hilfe von Beratern definiert und implementiert werden, sind können keine Arbeitsschutzmaßnahmen sein, wenn ihnen keine Gefährdungsbeurteilung zugrunde liegt. Wichtig: Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen für eine solche Gefährdungsbeurteilung Prozesse und Kriterien vereinbart haben. Der Arbeitsschutz ist mitbestimmt durch die Arbeitnehmer. Er ist kein Nebenprodukt des Gesundheitsmanagements, sondern ein glaubwürdiges Gesundheitsmanagement muss auf Gefährdungsanalysen aufbauen. Das gilt nicht nur aus rechtlichen, sondern insbesondere auch aus logische nachvollziehbaren Gründen.
Fragen Sie potentielle Berater, ob sie zeigen können, wie sie die Erarbeitung einer Betriebsvereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung mit Einbezug psychischer Belastungen in anderen Betrieben unterstützt haben. Lassen sie sich von anderen Betriebsräten über die Erfahrungen mit diesen Beratern berichten.
Motio ist ein typischer Berater im Bereich des BGM. Motio zufolge soll gelernt werden, Selbstverantwortung für die Erhaltung der eigenen Gesundheit zu übernehmen, aber für ein Gleichgewicht zwischen Verhaltensprävention und Verhältnisprävention wäre eben auch die Forderung notwendig, dass Unternehmen lernen müssen, Verantwortung für den Arbeitsschutz zu übernehmen. Das diese Forderung fehlt, mag an der Zielgruppe liegen, die Motio vorwiegend ansprechen will.
http://www.motio.de/Unsere_Kompetenzbereiche/
Betriebliches_Gesundheitsmanagement/Arbeitsplatzprogramme/
:


Ziele

  • Die Teilnehmer lernen ihre Belastungen zu managen und Selbstverantwortung für die Erhaltung ihrer Gesundheit zu übernehmen
  • Die Arbeitsplätze werden unter Einbeziehung der Mitarbeiter und unter Berücksichtigung des Kosten-Nutzen-Aspektes optimiert
  • Die Kommunikation unter den Teilnehmern verbessert sich deutlich
  • Die Leistungs- und Kooperationsbereitschaft wird erhöht

2011 Motio GmbH

 
Aus einer Besprechung des Buches “Burn-Out” der Motio-Geschäftsführerin Ilse Goldschmid und Claudia Fiedler: http://motio.de/AktuellesDownloads/ (2011-04):

Das Formulieren positiver Glaubenssätze wie „Das Leben ist einfach wunderbar zu mir“ oder „Das schaffe ich“, sowie bewusstes Nein-Sagen, sind gute Methoden einem Burn-out vorzubeugen. Aber auch ein optimiertes Zeitmanagement hilft, das Energie-Gleichgewicht aufrecht zuhalten. Die Autorinnen empfehlen: „Halten Sie regelmäßig inne und fragen Sie sich: Was ist wirklich wichtig in meinem Leben?“

Das ist nicht wirklich falsch, aber im Arbeitsschutz hilft das nicht viel weiter.
Mehr zur Orientierung von Motio finden sie in deren Newsletter-Archiv: http://motio.de/AktuellesDownloads/Newsletter-Archiv/
Klar in die Schublade der rein arbeitgeberorientierten Berater kann man Motio allerdings auch nicht stecken. So kritisiert dieser Berater beispielsweise den Vorschlag des DIHK (2005), die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu kürzen.
 
Schlüsselworte, die ich in Veröffentlichungen von Beratern suche, die ernsthaft Interesse am Arbeitsschutz haben:

  • psychische Belastung
  • Arbeitsschutz, Arbeitsschutzgesetz, Bildschirmarbeitsverordnung
  • Betriebsrat, Betriebsvereinbarung, Personalrat, Dienstvereinbarung
  • Mitbestimmung (“Einbeziehung” und “Mitwirkung” reicht nicht)
  • Gefährdungsbeurteilung, Unterweisung, Wirksamkeitskontrolle, Dokumentation
  • Eigenverantwortung bzw. Selbstverantwortung der Mitarbeiter, Verantwortung des Arbeitgebers
  • Verhaltensprävention, Verhältnisprävention

 

  • psychische Belastung

Bildschirmarbeitsverordnung

Eine Arbeitnehmervertretung fragte eine Arbeitgeberin,

wie bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich psychischer Belastungen ermittelt und beurteilt werden, sowie welche konkreten Prozesse und Beispiele es dazu im Betrieb gibt.

Es geht längst nicht mehr nur um technische Parameter wie Bildschirmaufösingen, Bildwiederholfrequenzen, Bildschirmdiagonalen usw., sondern generell um die von Benutzerschnittstellen ausgehend auf Menschen wirkende Risiken, physische und psychische Schäden zu erleiden:

§ 3 Beurteilung der Arbeitsbedingungen:
Bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Sehvermögens sowie körperlicher Probleme und psychischer Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen. 

Diese Bestimmung ermöglicht es, in Unternehmen mit Bildschirmarbeitsplätzen in einfacher Weise zu überprüfen, ob sie sich an die Regeln des Arbeitsschutzes halten. Anhand der Bildschirmarbeitsverordnung lässt sich konkret feststellen, welche Einstellung eine Arbeitgeberin zum Arbeitsschutz hat. Das betrifft nicht nur Bildschirmarbeitsplätze.
Gibt es keine Beurteilung psychischer Belastungen, begeht die Arbeitgeberin zunächst eine Ordnungswiedrigkeit. Wird in ihren Gefährdungsbeurteilungen sogar behauptet, dass die Bildschirmarbeitsverordnung eingehalten werde, obwohl es keine mitbestimmt geregelten Beurteilungen psychischer Belastungen gibt, könnte eine vorsätzliche Falschdarstellung in der Gefährdungsbeurteilung vorliegen.
Es ergäbe sich dann die Frage, wie sorgfältig die Gewerbeaufsicht Betriebe überprüft, in denen solche Falschdarstellungen in die Gefährdungsbeurteilung eingetragen werden können.
Natürlich ist es in einem solchen Fall auch möglich, dass Arbeitnehmervertretungen ihre in § 80 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes vorgegebene Pflicht missachtet haben, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften durchgeführt werden. Zudem könnte die Arbeitnehmervertretung § 89 des Betriebsverfassungsgesetzes missachtet haben.
Vor Allem hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften mitzubestimmen. Er darf es also nicht der Arbeitgeberin überlassen, sich schnell einmal einen Gefährdungsbeurteilungsprozess auszudenken, denn es gibt keine gesetzlichen Regelungen zur konkreten Gestaltung der Gefährdungsbeurteilung und zur Umsetzung der Bildschirmarbeitsverordnung im Betrieb.
Wie “nett” darf die Arbeitnehmervertretung sein? Weil es kein Mitbestimmungsrecht gibt, sondern eine Mitbestimmungspflicht, kann es sich die Arbeitnehmervertretung nicht entgegenkommenderweise aussuchen, ob sie fehlende oder sogar unrichtige Gefährdungsbeurteilung toleriert, sondern sie hat die Arbeitgeberin notfalls zur Pflichterfüllung zu zwingen, wenn sie im Arbeitsschutz Gefährdungen nicht oder dokumentiert oder falsche Angaben macht. Eine fehlende oder sogar nicht wahrheitsgemäße Beurteilung von Gefährdungen in der Dokumentation des Arbeitsschutzes (§ 6 des Arbeitsschutzgesetzes) erhöht selbst schon das Gefährdungsrisiko.
Also an die Arbeit, liebe Arbeitnehmervertreter!
Übrigens, nicht ernst genommen wird gerne auch der Anhang zur Bildschirmarbeitsverordnung. Auszug:

„Die Grundsätze der Ergonomie sind insbesondere auf die Verarbeitung von Informationen durch den Menschen anzuwenden.

  • Bei Entwicklung, Auswahl, Erwerb und Änderung von Software sowie bei der Gestaltung der Tätigkeit an Bildschirmgeräten hat der Arbeitgeber den folgenden Grundsätzen insbesondere im Hinblick auf die Benutzerfreundlichkeit Rechnung zu tragen:
    • Die Software muß an die auszuführende Aufgabe angepaßt sein.
    • Die Systeme müssen den Benutzern Angaben über die jeweiligen Dialogabläufe unmittelbar oder auf Verlangen machen.
    • Die Systeme müssen den Benutzern die Beeinflussung der jeweiligen Dialogabläufe ermöglichen sowie eventuelle Fehler bei der Handhabung beschreiben und deren Beseitigung mit begrenztem Arbeitsaufwand erlauben.
    • Die Software muß entsprechend den Kenntnissen und Erfahrungen der Benutzer im Hinblick auf die auszuführende Aufgabe angepaßt werden können.
  • Ohne Wissen der Benutzer darf keine Vorrichtung zur qualitativen oder quantitativen Kontrolle verwendet werden.“

Siehe auch: http://www.ergonomie-leitfaden.de/verordnung.htm
Die Wichtigkeit der Bildschirmarbeitsverordnung ist vielleicht einer der Gründe für den Versuch der “Stoiber-Kommission”, dieses wertvolle Instrument des Arbeitsschutzes auf europäischer Ebene zu schwächen.
Die Frage der Arbeitnehmervertretung an die Arbeitgeberin ganz am Anfang des Blog-Artikels ist noch offen. Was meinen Sie: Ist es möglich, dass die Arbeitgeberin keine Antwort gab, aber in der Gefährdungsbeurteilung für die Arbeitsplätze vieler Mitarbeiter behauptete, dass die Bildschirmarbeitsverordnung eingehalten werde? Lagen Belege vor, dass bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich psychischer Belastungen ermittelt und beurteilt werden, sowie konkreten Prozesse und Beispiele dazu im Betrieb dokumentiert sind? Glauben Sie, dass die Gewerbeaufsicht das geprüft hat?
 
Siehe auch: