Psychosocial risk management in the EU

http://www.baua.de/en/Research/Research-Project/f2339.html?nn=3328602

Psychosocial risk management in the EU: Context, strategies and implementation at establishment level – a comparative European study
Project number: F 2339
Institution: Federal Institute for Occupational Safety and Health (BAuA)
Status: ongoing
Planned end: 2015.12.31
Description:
        There is a growing concern in the EU about psychosocial risks (in particular work-related stress and harassment/bullying at work), and the management of psychosocial risks should be included in the organisations’ general risk management which is among employers´ responsibilities as stipulated in the EU Framework on health at safety at work (Directive 89/391/EEC), However, according to current knowledge, the implementation of psychosocial risk management in the workplace is deficient.
        European surveys, in particular the European Survey of Enterprises on New and Emerging Risks (ESENER) have seen Germany as ranking low when comparing stress management practices in European establishments. This raises the question of whether this ranking depicts an accurate picture of reality or whether it is due to differences in the understanding of basic concepts, differences in occupational health and safety practices or different framework conditions. Our research project will make a contribution to illuminate and potentially explain the documented European disparities and aims to provide fresh impetus for the management of psychosocial risks in Germany. In addition, it shall add to an exchange of experiences in Europe including benchmarking. For this purpose, a qualitative research design was chosen. Qualitative company case studies involving expert interviews and documentary analysis will be conducted in four countries. Three establishments will be investigated per country. The case studies will focus on the preconditions for successful implementation of psychosocial risk management and on the outcomes that were achieved (analysis of structures, processes and results). The study will draw on the views and judgements of the actors responsible for psychosocial risk management (psr) – in particular as regards the initiation and the implementation of psr in the workplace. When designing and analysing the investigations in the workplace, the relevant political, legal and socio-economic context of the respective countries will be considered. The company case studies in the respective countries will be pooled to a consolidated report. The results of the research project will be integrated into BAuA’s long-term research line on psychosocial risks at work.
More information:
Unit 3.5 “Mental Workload”
Service phone: +49 231 9071-2071
Fax: +49 231 9071-2070

See also: https://www.google.com/search?q=ESENER+PSR

Bayerisches Arbeitsschutzmanagement ohne psychische Belastung

Habe heute einmal wieder in die Website der bayerischen Gewerbeaufsicht hineingesehen.
http://www.gewerbeaufsicht.bayern.de/arbeitsschutz/managementsysteme/ohris/index.htm

OHRIS ist das Managementsystem der Bayerischen Staatsregierung für mehr Gesundheit bei der Arbeit und Sicherheit technischer Anlagen. Entwickelt wurde es in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, um den Arbeitsschutz in den Betrieben zu verbessern und wirtschaftlicher zu gestalten. Ein Grundgedanke des Arbeitsschutzmanagementsystems OHRIS ist, dass die Mitarbeiter in erheblichem Maß den Erfolg eines Unternehmens mit bestimmen. Gesundheit und Wohlbefinden der Beschäftigten fördern deren Motivation, Leistungsfähigkeit und Kreativität. Sie tragen in besonderem Maß zu einem positiven Arbeitsklima bei. […]

Die Prioritäten sind also klar bayerisch: In Zusammenarbeit mit der Wirtschaft (unüberraschenderweise nicht auch mit Arbeitnehmerorganisationen) ist es für die bayerische Staatsregierung uninteressant, ein Managementsystem der bayerischen Staatsregierung zu implementieren, bei dessen Beschreibung auch das Arbeitsschutzthema “psychische Belastung” erwähnt wird.
Zwar gibt es sehr gute Informationen der Gewerbeaufsicht zu dem Thema, aber bei der Umsetzung machen die Bayern dann doch nicht so gerne ernst. Man will “der Wirtschaft” ja keine Steine in den Weg legen. Gehandelt wird erst, wenn es für die Öffentlichkeit zu ekelig wird.
So kommt es, dass Aufsichtpersonen selbst krasse psychische Fehlbelastungen in mit der Staatsregierung harmonisch zusammenarbeitenden Unternehmen nicht einmal protokollieren, geschweige denn kritisieren. Beispiel: Abmahnung an einen Mitarbeiter, der eine Fehlbelastungen meldete. Zwar konnte der Mitarbeiter mit einer Klageandrohung eine Rücknahme der Abmahnung erwirken, war aber über einen Zeitraum von drei Monaten einer massiven Fehlbelastung ausgesetzt. Die bayerische Gewerbeaufsicht findet es in Ordnung, wenn solch eine inakzeptable Bedrohung eines Mitarbeiters nicht als Fehlbelastung dokumentiert wird.
Das “Unterfangen, das Thema psychische Belastung am Arbeitsplatz möglichst weit aus den Betrieben herauszuhalten” lebt bei der bayerischen Gewerbeaufsicht munter weiter.

Präventionsgesetz

Das Präventionsgesetz ist ein Artikelgesetz. Mit Artikelgesetzen werden verschiedene Artikel in verschiedenen Gesetzen geändert. Betroffen ist in diesem Fall vor allem das Sozialgesetzbuch.

Im Bereich der Gesundheit am Arbeitsplatz soll mit dem Gesetz der Arbeitsschutz mit dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) besser verbunden werden. Die Deutsche Arbeitsschutzinitiative (GDA) ist auch betroffen.
Interessant ist die Thematisierung von Verhaltensprävention und Verhältnisprävention im kommentierten Gesetzentwurf, z.B.:

[…] In Konkretisierung des gesetzlichen Auftrags zur Erbringung von Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung sieht der Leitfaden Prävention des GKV-Spitzenverbands, der die Handlungsfelder und Kriterien für die Leistungen der Krankenkassen zur betrieblichen Gesundheitsförderung verbindlich festlegt, vor, dass sich die Maßnahmen der Krankenkassen gleichermaßen an den Betrieb als Organisation (Verhältnisprävention) und an die einzelnen Beschäftigten (Verhaltensprävention) richten. […]

Nur ein Teil des Gesetzes widmet sich der Betrieblichen Gesundheitsförderung bzw. dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement. Natürlich fehlen Angebote zur “Stressbewältigung” nicht (Verbesserungen im Überblick, S. 4), also die verhaltenspräventive Sekundärintervention, die im Arbeitsschutz nachrangig ist. Das Arbeitschutzgesetz selbst wurde nicht verändert. Das Arbeitsschutzgesetz bestimmt die Prioritäten (Verhältnisprävention als Primärintervention) also weiterhin.
Vorsicht: Das Gesundheitsmanagement kann auch dazu missbraucht werden, den verhältnispräventiven Arbeitsschutz und die Mitbestimmung im Arbeitsschutz zu schwächen. Letzteres kann zum Beispiel passieren, wenn überwiegend verhaltenspräventive Maßnahmen dem Betriebsrat als freiwillige Maßnahmen (für die die erweiterte Mitbestimmung im Arbeitsschutz nicht gilt) des Gesundheitsmanagements vorgestellt werden, aber die Maßnahmen später der Gewerbeaufsicht als Arbeitsschutzmaßnahmen dargestellt werden – und die Gewerbeaufsicht nicht merkt, dass damit der Verhältnisprävention und der Mitbestimmung ausgewichen wurde.
Details: https://de.wikipedia.org/wiki/Präventionsgesetz

GDA-Leitlinien: 2008, 2011 und 2015

Die GDA-Leitlinien zur Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation sind nicht neu. Sie bauen auf LASI-Veröffentlichungen und DGUV-Veröffentlichungen auf.
Zum Vergleich drei Versionen: 2008, 2011 und 2015. (Von der Ausgabe aus dem Jahr 2012 habe ich keine Kopie.)
 
Weitere Links zur GDA und zu Dokumenten, die es früher schon gab (PsyGeb):

 

Aufsichtsperson gibtVersagen der Gewerbeaufsicht zu

Die Gewerbeaufsicht ist mit der Prüfung des Einbezugs psychischer Überlastungen in den Arbeitsschutz der Betriebe überfordert. Das wurde im Jahr 2012 im Bundestag festgestellt.
In einem deutschen Bundesland berichtet ein Unternehmen seinen Mitarbeitern ganz stolz, dass die Gewerbeaufsicht es bei der Umsetzung der Vorschriften des ganzheitlichen Arbeitsschutzes unter den Top 10 Unternehmen in dem Bundesland einordnet. Damit lobt die Gewerbeaufsicht dieses Landes ein ziemlich verspätetes Pilotprojekt, dem in dem betroffenen Betrieb nun erst Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Betriebsleitung zur Beurteilung psychischer Belastungen folgen werden. Bisher gab es da nichts: Der Abschnitt der Gefährdungsbeurteilung, der psychische Belastungsen betrifft, blieb nämlich bis heute leer, mit dem Hinweis auf das laufende Projekt. Kritik für die Zeit von 1996 bis heute gibt es von der Gewerbeaufsicht nicht, obwohl in dem Betrieb bis heute kein mitbestimmtes Verfahren implementiert ist, mit dem die psychische Belastungen an allen Arbeitsplätzen erfasst und bewertet werden. Treiber war hier der Betriebsrat.
Deutsche Zustände: Eine überforderte Behörde lobt ein Unternehmen, in dem bis zum Jahr 2013 für mehrere tausend Mitarbeiter keine psychische Fehlbelastung so erfasst wurde, wie das Unternehmen es versprach: Es versprach nämlich, dass es selbst solche Vorfälle erfasst, die physische und mentale Erkrankungen nur hätten zur Folge haben können. Nach seiner eigenen Selbstverpflichtung bleibt die Schwere tatsächlicher oder möglicher Erkrankungen dabei unberücksichtigt. Aber nur etwa null Vorfälle wurden selbst seit dem Jahr 2008 erfasst, in dem Mitarbeiter erstmals Mängel im Arbeitsschutz des Unternehmens ansprachen. Die Gewerbeaufsicht berät den Arbeitgeber freundlich und respektvoll, aber beaufsichtigt ihn im Bereich der psychischen Belastungen weiterhin nicht. Im Jahr 2015 wird dann doch Handlungsbedarf für die Arbeitsplätze mehrerer Dutzend Mitarbeiter festgestellt.
Statt den Schutz der Arbeitnehmer zu sichern, schwächt die Gewerbeaufsicht mit ihrem Lob die Position jener Arbeitnehmer, denen der Arbeitgeber über viele Jahre hinweg den Schutz vor psychischen Fehlbelastungen verwehrte – und zwar insbesondere auch, weil die Gewerbaufsicht nicht ordentlich kontrolliert hatte. Das ist wohl das Problem der Gewerbeaufsicht: Wenn korrekt nachkontrollieren würde, dann würde das ihr bisheriges Versagen dokumentieren. Da lässt die Gewerbeaufsicht dann lieber die Arbeitnehmer im Stich.
Die eigentliche Nachricht aber ist, dass sich aus diesem Lob einer extrem verspäteten Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes ergibt, dass auch heute noch fast alle der Unternehmen in diesem feinen Bundesland gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoßen dürfen, und zwar mit Wissen der netten Gewerbeaufsicht. Dieses Versagen der Gewerbeaufsicht gab nun eine Aufsichtsperson mit ihrem Lob zu.
Wie gesagt: Deutsche Zustände. Wir haben hübsche Gesetze, aber die behördliche Ausicht kritisiert es nicht in einer nachvollziehbaren Dokumentation, wenn das Arbeitsschutzgesetz nicht richtig umgesetzt wird. Der Arbeitgeber kann dann Kritik seiner Mitarbeiter mit dem Argument abwehren, dass die Gewerbeaufsicht keine Fehler festgestellt habe.

Geltendes Recht klargestellt

Es gibt Unternehmen, die in Mitteilungen an ihre Mitarbeiter den Eindruck erwecken, dass der Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz im Arbeitsschutzgesetz erst seit kurzem vorgeschrieben sei. Das ist Desinformation.
Kern der Gesetzesänderung war nur eine Klarstellung bereits geltenden Rechts: Arbeitgeber haben psychische Belastungen bereits seit dem Jahr 1996 in den Arbeitsschutz einzubeziehen. Die Analyse der psychischen Belastungen hatte schon immer ein Bestandteil einer umfassenden Gefährdungsbeurteilung zu sein, wie z. B. ein Blick in die BGI/GUV-I 8700 aus dem Jahr 2009 zeigt (Kap. 3.10).
Auch die behördliche Aufsicht hat zumindest gewusst (wenn auch kaum umgesetzt), was von ihr erwartet wird: Der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit (LASI) erstellte zur Nutzung durch die behördliche Aufsicht die folgenden Veröffentlichungen:

  • LV 28 (2002) Konzept zur Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz und zu Möglichkeiten der Prävention
  • LV 31 (2003) Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz und Möglichkeiten der Prävention – Handlungsanleitung für die Arbeitsschutzverwaltungen der Länder
  • LV 52 (2009) Integration psychischer Belastungen in die Beratungs- und Überwachungspraxis der Arbeitsschutzbehörden der Länder

Man sieht: Der Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz hätte schon seit vielen Jahren von der behördlichen Aufsicht überprüft werden müssen.
Die Aufsicht ist aber noch heute so geschwächt, dass sie nicht glaubwürdig überprüfen kann, ob in den Betrieben psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einbezogen werden. Als Referenz für Compliance ist sie damit eigentlich irrelevant. Das Aufsichtssystem hat hier schlicht versagt. Im Jahr 2012 konnte das nun nicht mehr ignoriert werden: Das Thema kam in den Bundestag (Bundestagsdrucksache 17-10229). Es wurde damals festgestellt, dass in etwa 80% der Betriebe in Deutschland psychische Belastungen nicht in der vorgeschriebenen Weise beurteilt wurden.
Das hier gegen bereits vor der Gesetzesänderung geltendes Recht verstoßen wurde, wird sogar von den Arbeitgebern bestätigt. Die Arbeitgebervereinigung BDA schrieb am 30.8.2013: „Gesundheit ist nicht teilbar, körperliche und seelische Gesundheit hängen zusammen und bedingen einander. … Zur Klarstellung dieses bereits heute geltenden Grundsatzes soll das ArbSchG in § 5 Abs. 3 Nr. 6 künftig ausdrücklich um den Gefährdungsfaktor ‘psychische Belastungen bei der Arbeit’ ergänzt werden“
Aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode, Absatz „Ganzheitlicher Arbeitsschutz“: „in bestehenden Arbeitsschutzverordnungen, die noch keine Klarstellung zum Schutz der psychischen Gesundheit enthalten, dieses Ziel aufnehmen“
Im Januar 2013 stellte der Bundesrat klar: „Durch zwei Änderungen im Arbeitsschutzgesetz soll klargestellt werden, dass sich die Gefährdungsbeurteilung auch auf psychische Belastungen bei der Arbeit bezieht und der Gesundheitsbegriff neben der physischen auch die psychische Gesundheit der Beschäftigten umfasst.“
Auf meine Petition 1902 (18.1.2009) „Betrieblicher Arbeitsschutz – Psychische Belastungen“ antwortete mir der Petitionsausschuss: „Der Petitionsausschuss hat zu der Eingabe eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) eingeholt. Darin führt das BMAS im Wesentlichen aus, dass es die Auffassung des Petenten teile, dass das Thema Psychischen Belastungen unabdingbarer Bestandteil des Arbeitsschutzes sei.“
Österreich änderte sein Arbeitnehmerschutzgesetz übrigens etwas früher als Deutschland. Auch dort wurde nur bereits geltendes Recht klargestellt:
Der Standard schrieb am 20. September 2013: „Unternehmen müssen das [Evaluation psychischer Belastungen im Job] eigentlich schon seit dem Jahr 1995 machen, das ist EU-Recht, allerdings geschah das in der Praxis zu selten. Das Gesetz ist davon ausgegangen, dass die gesamte Arbeitssituation zu evaluieren ist. Nachdem das allerdings im Bereich der psychischen Belastungen kaum passiert ist, bietet es eigentlich nur eine Verdeutlichung, dass die Begriffe physische und psychische Belastungen jetzt vorkommen.“
Und in der Regierungsvorlage zur Änderung des österreichischen Arbeitnehmerschutzgesetzes steht : „Bei den Änderungen in § 2 Abs. 7 und 7a handelt es sich um bloße Klarstellungen, bereits nach geltender Rechtslage sind die dort angeführten Begrifflichkeiten so zu verstehen.“

Wird die Aufsicht besser?

Im Herbst 2014 wurden von der GDA die “Empfehlung zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung” veröffentlicht. Die GDA hat jetzt ihre Webesite überarbeitet.
Seit Anfang dieses Jahres sollen Betriebe die Möglichkeit haben, sich von speziell qualifizierten Aufsichtspersonen bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung unter Einbeziehung der psychischen Belastungen unterstützen zu lassen. Ich bezweifele jedoch, dass es ausreichend viele Spezialisten sind. Allzu kritisch durften sie ja bisher nicht sein. Betriebe, die seit 1996 erst noch auf dem Weg sind, die Vorgaben des Arbeitsschutzes zu erfüllen, werden für ihre Anstrengungen sogar gelobt. (Bei kleinen Kindern wäre das eine akzeptable Mitivationstechnik.) Die noch bestehenden Mängel werden nicht dokumentiert, obwohl sie Ordnungswidrigkeiten sind. Mit ihrer freundlichen Zurückhaltung hilft die Gewerbeaufsicht den Betrieben, ihre Haftungsrisiken zu mindern.
Deutsche Zustände: In Deutschland durften Unternehmer weitgehend unbehindert gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoßen. Im Juli 2012 behauptete Ursula von der Leyen noch, dass es “strenge” Strafen gebe. Davon hatte aber kein Unternehmer etwas gespürt. In vielen europäischen Staaten müssen Arbeitgeber mit deutlich empfindlicheren Sanktionen rechnen, wenn sie der Pflicht der Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz nicht nachgehen. So kam es, dass im Jahr 2012 immer noch 80% der Unternehmen ganz locker auf die von ihnen geforderte Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes im Bereich der psychischen Belastung verzichten konnten.
Leider gibt es auch Betriebsräte, die sich von dem Lob der Gewerbeaufsicht bei der Mängelbeseitigung selbst dann beeindrucken lassen, wenn es in ihrem Betrieb noch gar keinen Prozess für die Beurteilung psychischer Belastungen gibt. Fehlt die im Arbeitsschutz erforderliche Kompetenz, dann trauen sich Betriebsräte nicht, der Gewerbeaufsicht die Mängel im Betrieb darzustellen. Kein Wunder, wenn es Lob gibt. Wenn Betriebsräte dann noch an Besichtigungen durch die Gewerbeaufsicht mit teilnehmen und den Mund dabei nicht aufkriegen, kann der Arbeitgeber stolz darauf hinweisen, dass der Betriebsrat mit der Beurteilung durch die Gewerbeaufsicht einverstanden sei. So kann Mitbestimmung leider auch aussehen: Der Betriebsrat liefert das Alibi.

Belastungsmoratorium

Seit 1996 haben die Arbeitgeber psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen. Bis 2012 ignorierten etwa 80% der Betriebe diese Vorschrift. Es mag auch diese nachhaltige Bereitschaft zum Rechtsbruch sein, derentwegen die Arbeitgeber heute ein “Belastungsmoratorium” fordern (z.B. in den Nachrichten von heute), mit dem sie sich unter anderem gegen eine konsequente Überwachung von Arbeitsszeiten wehren. Das ist schon ziemlich frech.

Lästiger Kontrolldruck

Dass bayerische CSU-Politiker die ersten sind, die sich beim Mindestlohn gegen endlich einmal ernst zu nehmende Kontrollen wehren, ist überhaupt keine Überraschung. Strunzdumm schwafeln sie von “Planwirtschaft” und “überbordender Bürokratie”.
Im Arbeitsschutz kann man beobachten, wie ein Gewerbeaufsichtler ein Unternehmen als “Vorreiter” bezeichnet, das immer noch keine mitbestimmten Prozesse hat, mit der psychische Belastungen beurteilt werden. Freundlich wird das kontrollierte Unternehmen außerdem darauf hingewiesen, dass man bei den vielen Unternehmen, für die die Gewerbeaufsicht zuständig ist, sowieso nicht so genau hinsehen kann.
Im Bereich der privatisierten Kontrolle stufen akkreditierte Auditoren eine mangelhafte Vorfallserfassungen im Arbeitsschutzmanagement nur als “Beobachtung” und nicht als “Abweichung” ein, obwohl damit eine der Grundlagen des Arbeitsschutzes nicht funktioniert.
Es schmerzt im Umgang mit Vorschriften kreative Unternehmer natürlich besonders, wenn sie für Regelverstöße ihrer Subunternehmer verantwortlich gemacht werden sollen. Das Outsourcing von Verantwortung war schließlich ein wesentlicher Bestandteil des Geschäftsmodells “Subunternehmen”. Unterstützt wurde das z.B. im Arbeitsschutz durch Zertifikate, mit denen Subunternehmer ihre Auftraggeber schützen, aber nicht wirklich die in den Subunternehmen arbeitenden Menschen. Und nun soll die Party vorbei sein? Haben kreative Unternehmer vielleicht sogar Angst, dass möglicherweise wirkungsvolle Kontrollen des Mindestlohnes irgendwann einmal auch im Arbeitsschutz stattfinden könnten?
In Deutschland durften 80% der Betriebe gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoßen. Als ein Hauptgrund wurde im Bundestag die überforderte Aufsicht erkannt. Mehr als ein Jahrzehnt der Überforderung ist aber auch kein Versehen mehr, sondern System.
Es gibt natürlich auch anständige Arbeitgeber, also 20% weiße Schafe neben 80% schwarzen Schafen.
Wer die Zustände bei der Aufsicht (behördliche und akkreditierte private Auditoren) im Arbeitsschutz kennt, wünscht sich die Kontrollqualität, die beim Mindestlohn vorgesehen ist (oder vorgesehen war?). Leider sind in in der deutschen Arbeitswelt potentielle Gesetzesbrecher anscheinend immer noch stark genug, gegen Kontrollen vorgehen zu können.

GDA: Hilfestellung zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

Die Änderung des Arbeitsschutzgesetzes Ende 2013 wird gerne mißverstanden. Die Änderung des Arbeitsschutzgesetzes ist eine Klarstellung bereits geltenden Rechts. Diese Klarstellung entlässt die Arbeitgeber also nicht aus ihrer Verantwortung für ihre von den Gewerbeaufsichten tolerierten Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz in der Vergangenheit. Wie man richtig darstellen kann, dass die Änderung des Arbeitsschutzgesetzes nur eine Klarstellung bereits zuvor geltender Vorschriften ist, zeigen die Arbeitgeber (BDA) selbst (2013-08):

[…] Zur Klarstellung dieses bereits heute geltenden Grundsatzes soll das ArbSchG in § 5 Abs. 3 Nr. 6 künftig ausdrücklich um den Gefährdungsfaktor „psychische Belastungen bei der Arbeit“ ergänzt werden. Der Bundestag hat den entsprechenden Gesetzentwurf am 27. Juni 2013 verabschiedet. Das nicht zustimmungspflichtige Gesetz wird voraussichtlich Ende September 2013 den Bundesrat passieren. […] 

Mit diesem Hintergrundwissen zur Änderung des Arbeitsschutzgesetzes Ende 2013 können wir uns nun einer Pressemeldung der GDA zuwenden: http://www.gda-portal.de/de/PresseAktuelles/PresseAktuelles.html

11.09.2014 
Neue GDA-Publikation gibt Hilfestellung bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
Die Änderung des Arbeitsschutzgesetzes Ende 2013 hatte es verdeutlicht: Arbeitgeber müssen psychische Belastungen bei der Arbeit in der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen. Aber wie kann das in der Praxis umgesetzt werden? Eine neue Broschüre der GDA liefert Antworten.
Die im Rahmen des Arbeitsprogramms Psyche erarbeiteten “Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung” erläutern in sieben Schritten die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen, ihre Methoden und Instrumente. Mit den Empfehlungen wird ein Korridor beschrieben, innerhalb dessen sich die konkrete Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung bewegen sollte. Die Broschüre richtet sich insbesondere an Unternehmen und betriebliche Arbeitsschutzakteure (u.a. Arbeitgeber, Betriebs-/Personalräte, Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit).

Man sollte nun aber nicht so tun, als ob es bisher keine Hilfestellungen für die Arbeitgeber gegeben hätte. Ein Blick in die jüngere Geschichte des Arbeitsschutzes in Deutschland zeigt, dass sie schon im Jahr 2009 in der LASI-Veröffentlichung 52 nachlesen konnten (wenn es sie interessiert hätte), wie die behördliche Aufsicht psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einbeziehen sollen. Die LV 28 und die LV 21 zur Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz erschienen bereits in den Jahren 2002 und 2003. Auch von der DGUV gab es genügend viel Informationen und Hilfestellungen.
Wenigstens die großen Unternehmen kannten also die Pflichten, gegen die sie verstießen, und die Möglichkeiten, die sie ungenutzt ließen, schon seit vielen Jahren. Da aber auch die überforderten (und z.T. politisch ausgebremsten) Gewerbeaufsichten ihre eigenen Vorgaben kaum umsetzten, konnten die meisten Arbeitgeber zum Nachteil ihrer Mitarbeiter weiterhin ungeniert gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoßen. Hier begingen einige große Unternehmen, die es wissen mussten, über viele Jahre hinweg vorsätzlich Rechtsbruch. Noch schlimmer: Die Arbeitsschutzmanagementsysteme dieser Unternehmen wurden nach Audits (ohne Beteiligung der Arbeitnehmervertreter) durch unaufmerksame Zertifizierer abgesegnet, obwohl psychische Belastungen in den Gefährdungsbeurteilungen weder prozesshaft noch mitbestimmt erfasst und beurteilt wurden.
Man sieht: Hilfestellungen alleine helfen nicht, denn ohne Kontrolle werden Schutzbestimmungen ganz locker und souverän ignoriert.
Update 2016-01: http://blog.psybel.de/dr_lists_blog_2016021/