Arbeitet der LASI schon zu gründlich?

http://www.landtag.ltsh.de/plenumonline/dezember2011/texte/47_arbeitsschutz.htm

… Bildungsminister Ekkehard Klug, der in Vertretung von Arbeitsminister Heiner Garg (beide FDP) sprach, wies auch die Forderung nach der Übernahme des Vorsitzes im Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) durch Schleswig-Holstein zurück. Ein solcher Schritt wäre “nicht verantwortbar”, da das Referat Arbeitsschutz im Ministerium für drei Jahre “massiv” gebunden wäre. Überdies, so Klug, gebe es längst einen einstimmigen Beschluss der Länder, das Gremium neu auszurichten und dessen Arbeit zu optimieren. Ziel sei eine gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstrategie, sagte der Minister und betonte: Schon jetzt zeichne sich ab, dass Systemkontrollen wirksamer seien als detaillierte Einzelkontrollen. …

Der LASI nimmt aus der Sicht dieses Politikers den Arbeitsschutz vielleicht schon zu ernst.

Arbeitgeber gegen Anti-Stress-Verordnung

(Neu kommentiert: 2012-07-15)
“Anti-Stress-Verordnung nicht zielführend” ist der Titel des untenstehend zitierten und von mir kommentierten Artikels. Ob irgendetwas “zielführend” oder “nicht zielführend” ist, kommt bekanntlich nicht nur auf den Weg an, sondern auch auf die Ziele. Es könnte sein, das Arbeitgeber (für die Stephan Sandrock und Sascha Stohwasser arbeiten) andere Ziele haben, als die Arbeitnehmer.
http://www.arbeitgeberverbaende.de/index.php?option=com_content&view=article&id=103:anti-stress-verordnung-nicht-zielfuehrend-

Anti-Stress-Verordnung nicht zielführend
Psychische Erkrankungen sind auf Vielzahl von Faktoren zurückzuführen
Das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) hält die Forderung der IG Metall nach einer Anti-Stress-Verordnung für nicht zielführend. „Die Arbeitswelt als ausschließlicher Ansatz zur Erklärung psychischer Störungen ist nicht ausreichend und zweckmäßig“, so Dr. Stephan Sandrock, Arbeitspsychologe am ifaa. [Eristik: Sandrock versucht den Eindruck zu erwecken, dass die IGM die Arbeitswelt als ausschließlicher Ansatz zur Erklärung psychischer Störungen darstellt. Das ist aber nicht die Richtung, in die die IGM geht. In fertigen Vorschlag einer Anti-Stress-Verordnung (2012-06) wird auch das Dreiebenen-Modell beschrieben, in dem die Arbeitswelt nur eine Teil-Ursache psychischer Störungen ist.] Die Gründe psychischer Störungen liegen häufig in einem schwer entflechtbaren Mix aus Person, Entwicklung, privatem Umfeld, der genetischen Prägung und im Arbeitsverhältnis / Arbeitsumfeld. [Richtig. Und der Arbeitsschutz kümmert sich eben um den Teil, der dem Arbeitsverhältnis zuzuordnen ist] Eine Unternehmenskultur, die auf Wertschätzung und Gesundheit abzielt, hängt vom betrieblichen Umfeld ab und kann nicht verordnet werden. [Richtig. Aber Verordnungen können helfen, Änderungen in den Unternehmenskulturen anzustoßen]
„Valide Instrumente zur Einschätzung des Burnout liegen bislang nicht vor“
Professor Dr. Stowasser, Direktor des Instituts [ifaa] und Leiter des ISO-Norm-Ausschusses ‚Grundsätze der Ergonomie‘ betont: „Bereits heute ist durch die Arbeitsschutz-gesetzgebung und durch Normung viel erreicht worden und wir haben sehr gute praxisgerechte Standards und Handlungsempfehlungen zur Bewertung und Verbesserung der psychischen Belastungssituation am Arbeitsplatz erarbeitet – denn es ist unbestritten, dass psychisch gesunde Mitarbeiter ein bedeutender Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg sind.“ [Richtig. Und das Kurzverfahren Psychische Belastung (KPB) des arbeitgebernahen und von Stohwasser geleiteten Institutes (ifaa) ist ein Werkzeug von vielen. Standards und Handlungsempfehlungen speziell des LASI sind gut. Aber die Arbeitgeber missachten sie. Darum will die IGM die Unternehmer etwas intensiver motivieren.]
Was Unternehmen tun können
Schon heute werden in vielen Betrieben die Führungskräfte zum Umgang mit psychisch kranken Mitarbeitern geschult. [Aber die Pflicht, die Mitarbeiter über ihre Rechte und Pflichten in der vorgeschriebenen Unterweisung aufzuklären, wird von der Mehrheit der Arbeitgeber missachtet.] Außerdem kommt den Betriebs- und Werksärzten eine immer wichtigere Lotsenfunktion zu. „Neben der Sensibilisierung der Führungskräfte und der Qualifikation der Betriebsärzte kommt eine wichtige ergänzende Rolle dem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) zu, in dessen Rahmen psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeit überwunden und einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann.“, so Stowasser. [BEM (Betriebliches Eingliederungs Management) hat mit der im Arbeitsschutz vorgeschriebenen und von den Arbeitgebern mehrheitlich vernachlässigten Verhältnisprävention wenig zu tun. BAM betrifft bereits erkrankte Mitarbeiter. Das ist schon keine Prävention mehr.]
 
Als Ergänzung und Vertiefung zu diesem Thema finden Sie im Anhang den Artikel von Dr. Stephan Sandrock “Depression und Burnout – Wie Unternehmen damit umgehen können” aus der aktuellen, vom ifaa herausgegebenen Zeitschrift ‚Betriebspraxis & Arbeitsforschung‘ (Ausgabe 209).
>> Anhang [Depression und Burnout – Wie Unternehmen damit umgehen können von Stephan Sandrock (Dateidatum: 2011-09-28). Das geht an dem Ziel der IGM und des Arbeitsschutzgesetzes vorbei: Durchsetzung der Verhältnisprävention. Die Arbeitgeber haben anscheinend andere Ziele, als der Gesetzgeber und die IGM. Insofern mag die “Verordnung” der IGM aus Sicht der Arbeitgeber tatsächlich nicht “zielführend”sein. In Sandrocks Veröffentlichung geht es insbesondere um psychische Erkrankungen. Der Arbeitsschutz dient jedoch der präventiven Erhaltung der Gesundheit. Und gesundheit ist mehr, als nur die Abwesendheit von Krankheit]

(Anmerkungen und Links in eckigen Klammern nachträglich wurden eingetragen.)
Und nun zum Ausgleich noch ein Schmankerl von einer Berufsgenossenschaft:

Andere Belastungsquellen wirken aus der Freizeit in die Arbeit hinein: aus dem Privatleben (Familie, Freunde), aus nebenberuflicher Betätigung (z.B. Verein) sowie aus den Problemen von Nachbarschaft, Kommune und Gesellschaft (siehe Außenkreis des Modells). Arbeits- und Freizeitbelastungen lassen sich in ihren Wirkungen heute noch nicht völlig trennen. Studien belegen aber, dass die Arbeitsbelastungen das Privatleben nachhaltiger stören als umgekehrt!

2012-06-27:
http://www.arbeitswissenschaft.net/index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=0&file=fileadmin/Redaktion/PDF-Downloads/PI_-_Anti-Stress-Verordnung_praxisfern.27.06.2012.pdf&t=1342297518&hash=e0ec6bb82a5e5ce755f3778fac49d8cb

Anti-Stress-Verordnung praxisfern und nicht zielorientiert
27.06.2012
Neue Verordnung der IG Metall liefert keine neuen Ansätze
Der heute von der IG Metall veröffentlichte Entwurf für eine sogenannte Anti-Stress-Verordnung löst die aktuellen Herausforderungen im Kampf gegen psychische Störungen in unserer Gesellschaft nicht [Begründung?]. Der vorgestellte Entwurf einer Verordnung gibt den Unternehmen keine Handlungsanleitung [Soll er auch nicht. Es geht darum, dass existierende Handlungsanleitungen endlich respektiert werden. Es ist bekannt, was und wie geprüft wird. Daraus ergeben sich klare Handlungsanweisungen an Unternehmen.] und ist für die betriebliche Praxis demnach [Wieso “demnach”? Da fehlt doch vorher schon die Begründung.] untauglich. “Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen können mit den sehr allgemein gehaltenen Beurteilungskriterien für die Ausgestaltung der Arbeitsorganisation, Arbeitsgestaltung und sozialen Beziehungen überhaupt nichts anfangen” [Unlogisch. Gerade die Arbeitgeber wollten wg. Entbürokratisierung und wg. der Unterschiede zwischen den Betrieben keine Detailregelungen.], so Professor Dr. Sascha Stowasser, Direktor des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa). Mit dem IGM-Entwurf ist ein deutlicher Rückschritt gegenüber bereits bestehenden Regelwerken wie zum Beispiel der international gültigen Norm zur arbeitsbedingten psychischen Belastung festzustellen. [Eristische Argumentation. Der Entwurf hat eine andere Aufgabe, als die Norm.]
Wichtiger sind umsetzbare und konkrete Handlungshilfen
Unternehmen benötigen vielmehr Handlungshilfen, die die praktische Umsetzung der im Arbeitsschutzgesetz geforderten Gefährdungsbeurteilung – d.h. die arbeitsplatzorientierte Bewertung körperlicher und geistiger Aspekte der Arbeit – ermöglicht. [Eristische Argumentation. Handlungshilfen gibt es genug von den Berufsgenossenschaften (wurde von der BDA bekämpft) und den Aufsichtsbehörden. Die Verordnung soll helfen, dass diese Handlungshilfen auch umgesetzt werden.] Hierfür gibt es heutzutage bereits eine Reihe von Verfahren. Diese sind in der Praxis oft unbekannt – Aufklärung über Existenz und Einsatzmöglichkeit sollte weitflächig durch Politik, Sozialpartner und Wissenschaft betrieben werden. [Das ifaa klärt z.B. nicht auf, sondern macht Werbung vorwiegend für den von ihm entwickelten Einfachverfahren, dem KPB. Seriös ist dagegen die Aufklärung der BAuA.] Die geforderte Anti-Stress-Verordnung der IGM löst diese Aufgabe nicht. [Das ist auch nicht die Aufgabe der Verordnung.] Ein erfolgswirksamerer Ansatzpunkt ist die startende Zielsetzung der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA). [“Startende Zielsetzung”? Die Verordnung soll bei der Durchsetzung der Ziele der GDA helfen. Und die GDA-Leitlinie zu psychischen Belastungen wird von den Arbeitgebern bekämpft] Auch das Arbeitsschutzgesetz, Verordnungen und Normungen berücksichtigen das Thema psychische Belastung bereits hinreichend. [Das ist richtig. Leider wurden diese Normen aber bisher missachtet.]
Das Thema ,,Psychische Gesundheit” objektiv betrachten
Die mediale Hetze, wie sie derzeit seitens IG Metall betrieben wird, verunsachlicht die Diskussion. [Was ist daran jetzt “objektiv”?] “Eine versachlichte und objektive Diskussion des Themas psychische Gesundheit muss eingeleitet werden. [Richtig.] Hierzu gehört die offene Aussprache vieler Facetten dieses komplexen Themas, wie zum Beispiel: Sensibilisierung und Eigenverantwortung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Versorgungslage in Deutschland, die unterschiedliche Betroffenheit verschiedener Branchen”, betont Dr. Stephan Sandrock, Arbeitspsychologe am ifaa. [Richtig. Die in der LASI LV 54 verlangte unternehmerische Eigenverantwortung wurde hier allerdings vergessen.]
Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa)
Ansprechpartnerin: Dorothée Werry, Uerdinger Straße 56, 40474 Düsseldorf,
Telefon: 0211 542263-24, d.werry@ifaa-mail.de, www.arbeitswissenschaft.net

(Link und Anmerkungen in eckigen Klammern wurden nachträglich eingetragen.)
Dr. rer. pol. Stephan Sandrock ist Mitarbeiter des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft, einem eingetragener Verein (ifaa e. V.). Mitglieder des ifaa sind die Verbände der Metall- und Elektroindustrie sowie der Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie, GESAMTMETALL, Berlin.
Ich selbst habe auch noch immer (siehe oben) Bedenken gegen so eine Verordnung. Besser wäre eine Stärkung der Kompetenz und der Durchsetzungsfähigkeit der Betriebs- und Personalräte. Inzwischen glaube ich aber fast, dass dieser Weg wegen der damit verbundenen Belastungen viele Arbeitnehmervertreter überfordert.

Bayerische Gewerbeaufsicht: Zielvereinbarung mit Unternehmen

Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz können als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden, bei Vorsatz, bei Wiederholungen usw. auch als Straftat. Aber die Aufsichtsbehörden schlagen nicht gleich mit dem Knüppel zu. Sie können zunächst auch Zielvereinbarungen mit Unternehmern abschließen.
http://www.stmas.bayern.de/arbeitsschutz/arbeitsmedizin/psychologie.php
(2011-07-13)

Arbeitspsychologie
In der heutigen Arbeitswelt spielen psychische Belastungen eine immer größere Rolle. Angst vor Arbeitsplatzverlust, hoher Zeitdruck, Zunahme der Arbeitsmenge, Informationsmangel- oder Informationsüberflutung, Kommunikationsbarrieren, geringe Qualifizierungsmöglichkeiten oder zu wenig Handlungsspielraum können Kopfschmerzen, Lustlosigkeit, “Ausgebranntsein”, Schlafstörungen oder Erkrankungen verursachen.
Psychische Fehlbelastungen lassen sich vermeiden. Die bayerische Gewerbeaufsicht überprüft die Betriebe und legt die Abhilfemöglichkeiten in einer Zielvereinbarung fest.
In Fällen von Bournout, Mobbing, Gewalt am Arbeitsplatz oder posttraumatischer Belastungsstörung führt die Gewerbeaufsicht keine Konfliktberatungen durch. Sind keine Verstöße im arbeitsschutzrechtlichen Sinne festzustellen, so wird auf externe Berater und Beratungsstellen oder auf das Präventionsnetzwerk verwiesen.
Weiterführende Informationen: Arbeitspsychologie

Nachtrag (2012-06-25): Die Zielvereinbarung sind verschwunden. Inzwischen lautet ein ähnlicher Text unter unveränderter URL im neuen Webauftritt:

… Psychische Fehlbelastungen am Arbeitsplatz lassen sich jedoch vermeiden bzw. wesentlich reduzieren. Davon profitieren Gesundheit und Wohlbefinden der Beschäftigten, was wiederum dem gesamten Betrieb zugute kommt.
Der Arbeitgeber ist gemäß Arbeitsschutzgesetz dazu verpflichtet, psychische Belastungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln und Maßnahmen zur Reduzierung negativer Belastungsfolgen durchzuführen.
Das Sozialministerium und die bayerische Gewerbeaufsicht unterstützen die Betriebe bei dieser Aufgabe. …

 
http://www.lgl.bayern.de/lgl/index.htm
(2011-07-13)

Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ist die zentrale Fachbehörde des Freistaats Bayern für Lebensmittelsicherheit, Gesundheit, Veterinärwesen und Arbeitsschutz/Produktsicherheit.
Das LGL ist dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit (StMUG) und mit seinem Landesinstitut für Arbeitsschutz und Produktsicherheit dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (STMAS) nachgeordnet.

(Hervorhebungen in den Zitaten nachträglich eingefügt)
Siehe auch:

 

Verhaltens- und Verhältnisprävention

http://www.leitbegriffe.bzga.de/bot_angebote_idx-90.html:


Verhältnisprävention steht für Strategien, die auf die Kontrolle, Reduzierung oder Beseitigung von Gesundheitsrisiken in den Umwelt- und Lebensbedingungen, auf die Verringerung oder Beseitigung von Krankheits- und Unfallursachen in den allgemeinen Lebens-, Arbeits- und Umweltverhältnissen bzw. auf die Herstellung gesunder Verhältnisse abzielen. Es gibt viele klassische Felder der Verhältnisprävention, zum Beispiel

  • die Veränderung der Arbeitsbedingungen in den Betrieben (Arbeitsschutz, Humanisierung der Arbeit, Betriebliche Gesundheitsförderung),
  • die kommunalen Aktivitäten zur Verbesserung der öffentlichen hygienischen, Wohn-, Verkehrs- und allgemeinen Sicherheitsbedingungen (Bäderaufsicht, Kanalisation),
  • die überregionalen, nationalen und internationalen Aktivitäten im Bereich der Sozial-, Gesundheits-, Bildungs-, Steuer-, Arbeitsmarkt-, Wirtschafts-, Städtebau-, Verkehrs-, Umwelt- und Verbraucherpolitik bzw. des Gesundheits-, Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutzes.


Verhaltensprävention ist ein Sammelbegriff für Strategien, die die Beeinflussung von gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen beinhalten. Verhaltensprävention kann abzielen auf

  • die Initiierung und Stabilisierung von gesundheitsfördernden Verhaltensweisen (gesunde Ernährung, körperliche Bewegung, safer sex) oder
  • die Vermeidung und Veränderung von gesundheitsriskanten Verhaltensweisen (Rauchen, Alkoholmissbrauch, falsche Ernährung).

(Absätze über Verhaltens- und Verhältnisprävention in diesem Zitat w.g. Reihenfolge im folgenden Zitat vertauscht)
 
http://www.sifawiki.de/index.php?title=Gesundheitsschutz:


Verhältnisprävention
Die Beurteilung der Arbeitsbedingungen ist Grundlage für die gesundheitsgerechte Gestaltung der Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe. Das Arbeitsschutzgesetz verlangt, dass Belastungen etwa durch Gefahrstoffe, Lärm aber auch durch mögliche psychische Überlastung in einer Gefährdungsbeurteilung identifiziert werden. Mit geeigneten Maßnahmen müssen Gefährdungen verringert oder ganz beseitigt werden. Für die Maßnahmen ist im Arbeitsschutzgesetz eine Wirksamkeitskontrolle vorgeschrieben. Ergonomische Faktoren wie Beleuchtung, Raumklima oder Arbeitsplatzmaße können optimiert werden.
Verhältnisprävention bedeutet das Verändern der Umgebung, um damit sowohl die physische wie auch die psychische Integrität der Mitarbeiter zu sichern. Zum Beispiel kann die Arbeit so gestaltet werden, dass der Arbeitende mehr Handlungsspielraum hat und damit seine Tätigkeit selbständiger gestalten kann. Mehr Arbeitszufriedenheit kann Stress, Depressionen oder anderen Beschwerden vorbeugen.
Verhaltensprävention
Die Information über Gesundheitsgefahren und das Einüben gesundheitsgerechten Verhaltens gehören ebenfalls zu den betriebsärztlichen Aufgaben. So sehen etwa die Gefahrstoffverordnung und die Biostoffverordnung verbindlich die Aufklärung und Beratung der Beschäftigten durch den Betriebsarzt vor.
Beispiele für weitere Maßnahmen der Verhaltensprävention sind etwa Trainings für richtiges Sitzen, richtiges Tragen (Rückenschule), ein Hautschutzplan oder richtiges Verhalten im Straßenverkehr (Wegeunfall). An Bedeutung gewinnen auch Angebote zur Stress-Bewältigung und zum Umgang mit Mobbing. Ebenso dazu gehören der aktive Nichtraucherschutz und Angebote zur Rauchentwöhnung.

 
Freistaat Sachsen: Psychische Fehlbelastungen in der Arbeitswelt vermeiden, 2007, S. 12
http://www.arbeitsschutz-sachsen.de/publications/broschueren/psycho.pdf

  1. Verhältnispräventive Maßnahmen: Eine nachhaltige Verbesserung der psychischen Gesundheit Ihrer Mitarbeiter setzt die Gestaltung der Arbeitsbedingungen voraus.
    • Beteiligen Sie Ihre Mitarbeiter von Anfang an! Als Experten in eigener Sache sind sie die wichtigsten Ratgeber.
    • Gemeinsam entwickelte Lösungen erhöhen zudem die Akzeptanz der Maßnahmen und Motivation der Beschäftigten.
  2. Verhaltenspräventive Maßnahmen: Maßnahmen, die das gesundheitsgerechte Verhalten der Mitarbeiter stärken, dienen als sinnvolle Ergänzung.

 
http://blog.psybel.de/2011/02/14/wie-die-aufsicht-prueft/#lv52, LV 52, 2009,
aus “Anhang 6 GB-Check Prozessqualität – Arbeitshilfe Interviewleitfaden zur Bewertung des Prozesses der Gefährdungsbeurteilung”, S. 27:

Maßnahmenfestlegung: Bei psychischen Fehlbelastungen wurden Maßnahmen festgelegt.

  • Vorrang Verhältnisprävention vor Verhaltensprävention eingehalten?

 
PS: Danke für die Blumen 🙂

Wie die Aufsicht prüft

 
2014-06-16: Die DGUV hat umgeräumt: http://blog.psybel.de/dguv-raeumt-um/
 


DGUV, 2004:
Erkennen psychischer Belastungen in der Arbeitswelt – ein Leitfaden für Aufsichtspersonen der gewerblichen Berufsgenossenschaften, zu finden in einem Kasten “weitere Informationen” auf der rechten Seite unter “psychische Belastungen in der Arbeitswelt” in:
http://www.dguv.de/inhalt/praevention/aus_weiter/aufsichtsperson/ (nicht mehr online)
Direkte Links:

  • Psychische Belastungen in der Arbeitswelt – ein Leitfaden für Aufsichtspersonen der gewerblichen Berufsgenossenschaften (Stand: Juli 2004)
    (Backup 2004: Erkennen…, Anlage 1, Anlage 2)

    Vorwort
    1. Einführung
    2. Rechtliche Grundlagen
    2.1 Sozialgesetzbuch VII
    2.2 Arbeitsschutzgesetz
    3. Psychische Belastungen und ihre Auswirkungen
    3.1 Erweitertes Belastungs-Beanspruchungs-Modell
    3.2 Einteilung psychischer Belastungen
    3.3 Spezielle Formen psychischer Belastungen
    3.3.1 Traumatische Ereignisse
    3.3.2 Mobbing
    3.4 Kurz- und langfristige Folgen psychischer Beanspruchungen
    3.5 Klassifikation der Folgen von Beanspruchungen
    4. Praktische Vorgehensweise im Betrieb
    4.1 Mögliche Vorbehalte seitens der Betriebe
    4.2 Mögliche wirtschaftliche Vorteile für den Betrieb
    4.3 Erkennen psychischer Fehlbeanspruchungen im Betrieb
    4.3.1 Einführungsgespräch mit dem Unternehmer
    4.3.2 Arbeitsplatz-, Betriebsbesichtigung
    4.3.3 Unfalluntersuchung
    4.3.4 Weitere mögliche Informationsquellen
    4.4 Bewertung der ermittelten Informationen
    4.5 Präventionsmaßnahmen
    4.6 Weitere Maßnahmen
    5. Weiterführende Literatur
    6. Vorhandene Instrumente
    Glossar

Der Leitfaden wurde zwar für “Aufsichtspersonen der gewerblichen Berufsgenossenschaften” geschrieben, aber natürlich hilft er auch Kontrolleuren der Gewerbeaufsicht, Arbeitssicherheitsfachkräften, Auditoren, Führungskräften sowie Arbeitnehmern und ihren Vertretern (Betriebs- und Personalräte). Auch im Top-Management der Unternehmen kann der Leitfaden helfen, zu verstehen, über welche Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten die Akteure im Arbeitsschutz verfügen müssen.
Das im Leitfaden empfohlene Vorgehen ist ganz nett. Unternehmer brauchen nicht zu zittern. Allerdings sind die Berufsgenossenschaften auch keine Gewerbeaufsichten. Sie strafen nicht, sondern erhöhen gegebenenfalls halt die Beiträge, die ihre Mitgliedsunternehmen zu zahlen haben.
Der Leitfaden für Betriebsärzte zu psychischen Belastungen ist ähnlich strukturiert, aber ausführlicher.
 
Selbst diesen zahmen und mit Unternehmern geradezu zärtlich einfühlsam umgehenden Leitfaden mögen die Arbeitgeber nicht (BDA: Mai 2005, Position der Arbeitgeber zur Bedeutung psychischer Belastungen bei der Arbeit, Link in http://blog.psybel.de/hauptsache-gesundheit/):
S. 7:

… Der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften hat 2002 einen Leitfaden “Psychische Belastungen” für Aufsichtspersonen der gewerblichen Berufsgenossenschaften entwickelt und in einer einjährigen Erprobungsphase auf Plausibilität und Praktikabilität getestet. Der Leitfaden, der derzeit aufgrund der Erfahrungen aus der Erprobungsphase überarbeitet wird, soll die Aufsichtspersonen in die Lage versetzen, die Unternehmen im Rahmen allgemeiner Betriebsbesichtungen auch im Hinblick auf psychische Belastungen zu beraten. Der Leitfaden, wie auch zahlreiche andere existierende Handlungshilfen, ist aus Sicht der BDA nur bedingt als Instrument geeignet. Problematisch sind die darin enthaltenen Hinweise zur Personalführung und Arbeitsorganisation. Dies ist kein Bereich, in dem die Berufsgenossenschaften Erfahrungen und Expertise besitzen. Es muss berücksichtigt werden, dass Personalführung und Arbeitsorganisation zum Kernbereich unternehmerischer Verantwortung gehören. Eine Beratung in Fragen psychischer Belastungen kann nur sinnvoll sein, sofern sie lösungsorientiert und nicht problemorientiert die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt. …

(Links nachträglich in das Zitat eingefügt)
Ist das so? “Lösungsorientiert und nicht problemorientiert” ist Unsinn. Vor der Lösung schaut man sich das Problem an, macht also eine Gefährdungsbeurteilung. Die BDA versteht die einfachsten Grundlagen nicht und ignoriert außerdem das Arbeitsschutzgesetz: Es geht bei der Verhaltensprävention gerade nicht um den Einzelfall. Im Gesetz steht: Individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen. Das gilt auch für BDA-Mitglieder. Immerhin verrät dieser Absatz viel über das Problem, das die Arbeitgeber mit dem ganzheitlichen Arbeitsschutz haben.
S. 12:

… Die Arbeitgebervertreter in den Selbstverwaltungsorganen der Berufsgenossenschaften sollten sich aufgrund der o. g. [siehe S. 11 – 12] Argumente auch dementsprechend grundsätzlich gegen eine Regelung des Themas psychische Belastungen in berufsgenossenschaftlichen Regelwerken aussprechen. …

Nachtrag (2013-04-24): Später kamen die Arbeitgeber mit der dreisten Ausrede, dass es keine Leitlinien gebe, mit deren Hilfe sie psychische Belastungen beurteilen können.
 


(Aktualisierung: 2012-07-12)
LASI, LV 52, 2009:
Integration psychischer Belastungen in die Beratungs- und Überwachungspraxis der Arbeitsschutzbehörden der Länder
http://lasi.osha.de/de/gfx/publications/lv52_info.htm
http://lasi.osha.de/docs/lv52.pdf, Inhalt:

Vorwort.
1 Grundverständnis und Zielrichtung 6
2 Aufgaben und Funktionen des Managements der Arbeitsschutzverwaltungen der Länder bei der Umsetzung des Themas 7
2.1 Psychische Belastungen – ein Querschnittsthema für die Aufsicht 7
2.2 Fachliche und methodische Kompetenzen der Beschäftigten in der Arbeitsschutzverwaltung erweitern 8
2.3 Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen 9
3 Grundsätze der Beratung und Überwachung 10
3.1 Handlungsfelder der Arbeitsschutzverwaltung 10
3.2 Durchführung der Betriebsbesichtigung 11
3.3 Nachbereitung, Verwaltungshandeln 13
4 Kooperationsmöglichkeiten im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie1 4
Anhang 1 Rahmenkonzept Qualifizierung 15
Anhang 2 Curriculum für die Qualifizierung von Aufsichtskräften zum Thema „psychische Belastungen“ 19
Anhang 3 Übersicht: Berücksichtigung psychischer Belastungen im Aufsichtshandeln 23
Anhang 4 Ablauf: Prüfung von Gefährdungsbeurteilungen im Hinblick auf angemessene Berücksichtigung psychischer Belastungen 24
Anhang 5 Prüfliste zum Erkennen psychischer Belastungen (PEP) 25
Anhang 6 GB-Check Prozessqualität – Arbeitshilfe Interviewleitfaden zur Bewertung des Prozesses der Gefährdungsbeurteilung 26
Anhang 7 GB-Check Inhalt – Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung „psychische Belastungen“ auf inhaltliche Plausibilität und angemessene Umsetzung 29

S. 4:

… Denn trotz vielfältiger Aktivitäten ist es auch für die Aufsichtsbeamtinnen und –beamten der Arbeitsschutzbehörden noch nicht selbstverständlich, bei der Bewertung betrieblicher Gefährdungsbeurteilungen auch psychische Faktoren zu berücksichtigen. Diese werden nicht selten als „Extra“ betrachtet, auf die eingegangen werden kann, wenn alle anderen Arbeitsschutzaspekte erledigt wurden. Eine solche Prioritätensetzung erfolgt oft mit dem Hinweis, dass gezieltes Aufsichtshandeln zur Reduktion psychischer Belastungen nur sehr eingeschränkt möglich sei, da der Rückgriff auf Normen und Sanktionen schwierig ist. Demzufolge beschränkt sich die staatliche Aufsicht in der Regel auf reines Beratungshandeln.
Diese Sichtweise geht am zentralen Ziel des Arbeitsschutzgesetzes vorbei, das eine umfassende Prävention von gesundheitlichen Risiken einfordert. Hier müssen staatliche Arbeitsschutzbehörden den Erfordernissen moderner Arbeitswelten nachkommen und ihrer institutionellen Schutzfunktion gerecht werden. Der Fokus des Aufsichtshandelns ist dabei auf Tätigkeiten zu legen, in denen in besonderem Ausmaß mit gesundheitlichen Folgen psychischer Belastungen zu rechnen ist. …

S. 28:

Die Gefährdungsbeurteilung ist nicht angemessen – lt. Leitlinie so zu bewerten wenn:

  • Gefährdungssituation unzutreffend bewertet
  • wesentliche Arbeitplätze/Tätigkeiten nicht ermittelt
  • wesentliche Arbeitplätze/Tätigkeiten nicht beurteilt
  • besondere Personengruppen nicht berücksichtigt
  • keine Wirksamkeitskontrolle
  • Beurteilung nicht aktuell
  • Dokumentation nicht plausibel

 


Links innerhalb dieses Blogs:
  • Begehungen durch Arbeitsschutzfachleute und den Betriebsrat
  • Grundsätze der behördlichen Systemkontrolle
  • Zielvereinbarungen mit Unternehmen
  • Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie
  • Arbeitsschutzorganisation ist Pflicht

    Petition an den Bundestag: Betrieblicher Arbeitsschutz – Psychische Belastungen

    Die Petition wurde abgelehnt. Die Ablehnung wurde sorgfältig begründet: Mit der Antwort stellte der Bundestag bereits im Jahr 2009 klar, dass psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen sind.
    Petition eingereicht: 2009-01-18
    https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2009/_01/_18/Petition_1902.nc.html

    Der Deutsche Bundestag möge beschließen, den tatsächlichen Grad des Einbezugs psychischer Belastungen in die Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes in deutschen Unternehmen durch entsprechende Dienste oder Beauftragte des Bundestages feststellen zu lassen und im Fall einer mangelhaften Umsetzung der Arbeitsschutzgesetzes und vergleichbarer Gesetzte und Vorschriften die personelle Situation der Aufsichtsbehörden so zu verbessern, dass sie ihrer Aufsichtspflicht auch praktisch nachkommen könne
    Begründung: Nur ein kleiner Teil der Unternehmen in Deutschland kommt seinen Verpflichtungen nach, auch psychomentale Belastungen (Begriff “psychomentale Belastung”: Zusammensetzung aus “mentaler Belastung” entsprechend der englischsprachigen EN ISO 10075 Norm und “psychischer Belastung” entsprechend der deutschsprachinen EN ISO 10075 Norm) in den Arbeitsschutz mit einzubeziehen. Konkret drückt sich das dadurch aus, dass nur sehr wenige Betriebe in Deutschland die mit Arbeitsaufgaben und Arbeitsplätzen verbundenen psychomentale Belastungen in Gefährdungsbeurteilungen beschreiben (was nur ein erster Schritt ist). Abgesehen von der Gefährdung, die langjährig nicht wirklich umgesetzte Gesetze für die Rechtsstaatlichkeit schlechthin darstellen, bauen sich hier angesichts der Veränderungen der Arbeitswelt neue Hindernisse und Gefahren für wirtschaftliches Wachstum auf. Grundlage der gängigen Wachstumstheorien ist Innovation, also das Ergebnis psychomentaler Belastung. Darum muss das Verständnis dieser Belastungsart und die Durchsetzung der menschengerechten Gestaltung der Arbeit höchste Priorität bekommen. Auch könnte die jetzige “Wirtschaftskrise” auf einen hohen Grad an Ernüchterung und Erschöpfung von Arbeitnehmern (einschließlich Ihrer Führungskräfte) zurückzuführen sein. Dabei ist das Thema der psychomentalen Arbeitsbelastung inzwischen recht gut erforscht und sollte nicht erst dann angegangen werden, wenn für Krankenkassen, Sozialversicherungen usw. durch psychomentale Fehlbelastungen verursachte Kosten zu hoch werden.

    Antwort des Bundestages (Petitionsausschuss):

    Betrieblicher Arbeitsschutz
    Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 25.02.2010 abschließend beraten und beschlossen:
    Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.
    Begründung
    Der Petent fordert, den tatsächlichen Grad des Einbezugs psychischer Belastungen in die Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes in deutschen Unternehmen durch entsprechende Dienste oder Beauftragte des Bundestages feststellen zu lassen und im Fall einer mangelhaften Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes und vergleichbarer Gesetze und Vorschriften die personelle Situation der Aufsichtsbehörden so zu verbessern, dass sie ihrer Aufsichtspflicht auch praktisch nachkommen können.
    Zur Begründung führt der Petent im Wesentlichen an, dass bisher nur ein kleiner Teil der Unternehmen in Deutschland seinen Verpflichtungen nachkäme, psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen.
    Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Petitionsausschusses eingestellt. Sie wurde von 364 Mitzeichnern unterstützt. Außerdem gingen acht Diskussionsbeiträge ein.
    Der Petitionsausschuss hat zu der Eingabe eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) eingeholt. Darin führt das BMAS im Wesentlichen aus, dass es die Auffassung des Petenten teile, dass das Thema Psychischen Belastungen unabdingbarer Bestandteil des Arbeitsschutzes sei. Dem BMAS sei auch die Bedeutung des Themas bekannt. Die Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung der psychischen Komponente bei der Gefährdungsbeurteilung werde daher grundsätzlich unterstützt.
    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Petenten eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
    In seiner parlamentarischen Prüfung kommt der Petitionsausschuss zu folgendem Ergebnis:
    Der Begriff “Psychische Belastungen” ist in der DIN EN ISO 10075 definiert als “die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch (seelisch) auf ihn einwirken”.
    Mit “psychischen Fehlbelastungen” sind dagegen Anforderungen und Belastungen gemeint, die in ihrer Ausprägung bei Beschäftigten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Berufliche Anforderungen können eine Herausforderung darstellen und bei erfolgreicher Bewältigung zu Arbeitszufriedenheit führen. Unstreitig können psychische Fehlbelastungen in der Arbeitswelt zu gesundheitlichen Problemen bei den Beschäftigten und zu krankheitsbedingten Folgekosten in erheblichem Ausmaß führen.
    Im Rahmen einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) über Kosten arbeitsbedingter Erkrankungen wurden die gesamt- wirtschaftlichen Kosten für psychische Belastungsfolgen in Deutschland im Jahr 1998 auf 11,1 Mrd. Euro direkte und 26,2 Mrd. Euro indirekte Kosten geschätzt. Für das Jahr 2004 ergibt sich eine Schätzung von 18,6 Mrd. Euro bzw. 25,3 Mrd. Euro Kosten.
    Die vorläufigen Ergebnisse des aktuellen BAuA-Forschungsprojekts “Aufarbeitung Gefährdungsbeurteilung bei Umsetzung der zur Erfahrungen betrieblicher psychischen Belastungen” lassen Tendenzen hinsichtlich des tatsächliche Umsetzungsgrades der Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) zu den psychischen Fehlbelastungen erkennen. Eine im Rahmen dieses Projektes durchgeführte Befragung von Betriebsräten in der metallverarbeitenden Industrie Baden-Württembergs hat ergeben, dass 87 % der Betriebe eine Gefährdungs- beurteilung vorweisen konnten, allerdings nur 33 % der Betriebe unter Berücksichtigung der psychischen Fehlbelastungen.
    Dem Ziel der stärkeren Berücksichtigung der psychischen Komponente der Gefährdungsbeurteilung dienen die Aktivitäten des Bundes im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA). Die GDA beinhaltet das abgestimmte Vorgehen von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern (UVT) im Arbeitsschutz durch die Vereinbarung von gemeinsamen Zielen und die Verfolgung kooperativer Strategien und Aufsichtsverfahren. Für die Handlungsperiode 2008 2012 wurde der Komplex “Psychische Belastungen” in das Arbeitsprogramm der GDA mit aufgenommen. Die Zieldefinitionen enthalten in mehreren Projekten die psychischen Fehlbelastungen als Querschnittsziele und verdeutlichen so deren hohen Stellenwert. Überdies nimmt das Thema auch im Rahmen der von der Bundesregierung im Jahre 2001 ins Leben gerufenen “Initiative Neue Qualität der Arbeit” (INQA) breiten Raum ein. So gibt es verschiedene Publikationen, die sich dem Thema widmen und den betrieblichen Akteuren Wissen vermitteln und praktische Handlungshilfen an die Hand geben.
    Hinsichtlich des Anliegens, die personelle Situation der Aufsichtsbehörden zu verbessern, ist festzuhalten, dass der Vollzug des staatlichen Arbeitsschutzrechts grundsätzlich Sache der Bundesländer ist. Der Aufbau und die Organisation der Arbeitsschutzbehörden liegen in der Verantwortung der Länder. Es ist nicht Aufgabe des Bundes, den Ländern z. B. hinsichtlich der Anzahl der Aufsichtsbeamten oder der Einzelheiten der Verwaltungsorganisation Vorgaben zu machen.
    Auch der tatsächliche Umsetzungsgrad der Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) hinsichtlich psychischer Fehlbelastungen kann letztlich nur von den für die Überwachung des Arbeitsschutzes zuständigen Instanzen eingeschätzt werden. Dies sind die Arbeitsschutzbehörden der Länder und die UVT. Den UVT steht bei der Erfüllung des gesetzlichen Auftrages der Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren “mit allen geeigneten Mitteln” im Rahmen der Selbstverwaltung ein weiter Ermessens- und Gestaltungsspielraum zu.
    Auf der Ebene der Bundesländer und damit der Arbeitsschutzbehörden ist der Handlungsbedarf hinsichtlich der Berücksichtigung der psychischen Komponente der Gefährdungsbeurteilung erkannt. Die Länder führen Schulungen und Schwerpunktaktionen zu psychischen Belastungen in verschiedenen Branchen durch. Vom Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik wurde ein Leitfaden zur besseren Berücksichtigung psychischer Belastungen in der Arbeitsschutz-Revision erarbeitet. [Die LV 52 vom Oktober 2009 war allerdings noch nicht veröffentlicht, als ich die Petition im Januar 2009 abschickte.] Weitere Aktivitäten sind die Qualifizierung der Aufsichtspersonen, die Erstellung von Verfahrensanweisungen und Unterrichtsmodulen. Mit diesen umfassenden Maßnahmen werden den Aufsichtsbeamten das nötige Wissen und die methodischen Kenntnisse zur stärkeren Berücksichtigung der psychischen Aspekte bei ihrer Tätigkeit vermittelt. Auch die UVT haben sich des Themas angenommen. So ist beim Institut Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (BGAG) ein Bereich eingerichtet, der zum Thema “Psychische Belastungen und Beanspruchungen am Arbeitsplatz” forscht und berät.
    Mit den aufgezeigten Aktivitäten der Akteure des staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzes sind wichtige Weichenstellungen getroffen worden, das Thema auch in den Betrieben weiter voranzubringen und die Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiter für das Themenfeld zu sensibilisieren. Damit wird die stärkere Einbeziehung psychischer Fehlbelastungen bei der Gefährdungsbeurteilung weiter unterstützt und gefördert sowie dem Thema die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet.
    Der Petitionsausschuss hat das Vorbringen des Petenten geprüft. Er hält die geltende Rechtslage zum Arbeitsschutz insbesondere hinsichtlich der Zuständigkeit der Bundesländer und selbstverwalteten gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand – für sachgerecht.
    Da die Petition nach Auffassung des Ausschusses keine wesentlichen neue Aspekte enthält, die nicht bereits bekannt sind, sieht er davon ab, sie den Landesvolksvertretungen und den selbstverwalteten gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand als Material für weitere Beratungen zuzuleiten.
    Der Petitionsausschuss empfiehlt, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen des Petenten nicht entsprochen werden konnte.

    (Anmerkung in eckigen Klammern, Links und Hervorhebungen nachträglich eingefügt)
    Links:

    Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz

    Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI)
    Konzept zur Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz und zu Möglichkeiten der Prävention
    LV 28, 2002
    http://blog.psybel.de/lasi-veroeffentlichungen/#LV28
    Inhalt:


    1 Einleitung und Zielstellung . .9
    2 Rechtliche Einordnung . .10
    3 Arbeitsbedingte psychische Belastungen .12
    3.1 Belastungskonzepte und Belastungsquellen .12
    3.2 Folgen psychischer Fehlbelastungen .13
    4 Ermittlung psychischer Belastungen .15
    4.1 Ermittlung und Beurteilung der Arbeitsbedingungen .15
    4.2 Stufenkonzept zur Ermittlung psychischer Belastungen . .16
    5 Maßnahmen der Prävention . .17
    5.1 Zielkriterien menschengerechter Arbeitsgestaltung . .17
    5.2 Ansatzpunkte zur Optimierung der Arbeitsbedingungen . .18
    5.3 Wirksamkeitskontrolle . .18
    6 Handlungsfelder der staatlichen Arbeitsschutzverwaltungen (ASV’en) .19
    6.1 Anlässe für das Handeln der ASV’en .19
    6.2 Aktivitäten der ASV’en . .20
    6.3 Aufbau und Pflege von Kooperationsnetzwerken .22
    6.4 Ansätze zur Kompetenzentwicklung .23
    6.4.1 Aufbau von Kompetenzen bei den Mitarbeitern der ASV’en . .23
    6.4.2 Ansätze zur Kompetenzentwicklung von Kooperationspartnern . .25
    Anhang 1: Ansätze zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastungen .26
    Anhang 2: Mögliche Beiträge der Arbeitsschutz-Akteure zu Kooperationsnetzwerken
    zur „Ermittlung und Reduzierung psychischer
    Fehlbelastungen“ . .28
    Literaturverzeichnis . .31

    Bildschirmarbeitsverordnung

    Eine Arbeitnehmervertretung fragte eine Arbeitgeberin,

    wie bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich psychischer Belastungen ermittelt und beurteilt werden, sowie welche konkreten Prozesse und Beispiele es dazu im Betrieb gibt.

    Es geht längst nicht mehr nur um technische Parameter wie Bildschirmaufösingen, Bildwiederholfrequenzen, Bildschirmdiagonalen usw., sondern generell um die von Benutzerschnittstellen ausgehend auf Menschen wirkende Risiken, physische und psychische Schäden zu erleiden:

    § 3 Beurteilung der Arbeitsbedingungen:
    Bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Sehvermögens sowie körperlicher Probleme und psychischer Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen. 

    Diese Bestimmung ermöglicht es, in Unternehmen mit Bildschirmarbeitsplätzen in einfacher Weise zu überprüfen, ob sie sich an die Regeln des Arbeitsschutzes halten. Anhand der Bildschirmarbeitsverordnung lässt sich konkret feststellen, welche Einstellung eine Arbeitgeberin zum Arbeitsschutz hat. Das betrifft nicht nur Bildschirmarbeitsplätze.
    Gibt es keine Beurteilung psychischer Belastungen, begeht die Arbeitgeberin zunächst eine Ordnungswiedrigkeit. Wird in ihren Gefährdungsbeurteilungen sogar behauptet, dass die Bildschirmarbeitsverordnung eingehalten werde, obwohl es keine mitbestimmt geregelten Beurteilungen psychischer Belastungen gibt, könnte eine vorsätzliche Falschdarstellung in der Gefährdungsbeurteilung vorliegen.
    Es ergäbe sich dann die Frage, wie sorgfältig die Gewerbeaufsicht Betriebe überprüft, in denen solche Falschdarstellungen in die Gefährdungsbeurteilung eingetragen werden können.
    Natürlich ist es in einem solchen Fall auch möglich, dass Arbeitnehmervertretungen ihre in § 80 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes vorgegebene Pflicht missachtet haben, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften durchgeführt werden. Zudem könnte die Arbeitnehmervertretung § 89 des Betriebsverfassungsgesetzes missachtet haben.
    Vor Allem hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften mitzubestimmen. Er darf es also nicht der Arbeitgeberin überlassen, sich schnell einmal einen Gefährdungsbeurteilungsprozess auszudenken, denn es gibt keine gesetzlichen Regelungen zur konkreten Gestaltung der Gefährdungsbeurteilung und zur Umsetzung der Bildschirmarbeitsverordnung im Betrieb.
    Wie “nett” darf die Arbeitnehmervertretung sein? Weil es kein Mitbestimmungsrecht gibt, sondern eine Mitbestimmungspflicht, kann es sich die Arbeitnehmervertretung nicht entgegenkommenderweise aussuchen, ob sie fehlende oder sogar unrichtige Gefährdungsbeurteilung toleriert, sondern sie hat die Arbeitgeberin notfalls zur Pflichterfüllung zu zwingen, wenn sie im Arbeitsschutz Gefährdungen nicht oder dokumentiert oder falsche Angaben macht. Eine fehlende oder sogar nicht wahrheitsgemäße Beurteilung von Gefährdungen in der Dokumentation des Arbeitsschutzes (§ 6 des Arbeitsschutzgesetzes) erhöht selbst schon das Gefährdungsrisiko.
    Also an die Arbeit, liebe Arbeitnehmervertreter!
    Übrigens, nicht ernst genommen wird gerne auch der Anhang zur Bildschirmarbeitsverordnung. Auszug:

    „Die Grundsätze der Ergonomie sind insbesondere auf die Verarbeitung von Informationen durch den Menschen anzuwenden.

    • Bei Entwicklung, Auswahl, Erwerb und Änderung von Software sowie bei der Gestaltung der Tätigkeit an Bildschirmgeräten hat der Arbeitgeber den folgenden Grundsätzen insbesondere im Hinblick auf die Benutzerfreundlichkeit Rechnung zu tragen:
      • Die Software muß an die auszuführende Aufgabe angepaßt sein.
      • Die Systeme müssen den Benutzern Angaben über die jeweiligen Dialogabläufe unmittelbar oder auf Verlangen machen.
      • Die Systeme müssen den Benutzern die Beeinflussung der jeweiligen Dialogabläufe ermöglichen sowie eventuelle Fehler bei der Handhabung beschreiben und deren Beseitigung mit begrenztem Arbeitsaufwand erlauben.
      • Die Software muß entsprechend den Kenntnissen und Erfahrungen der Benutzer im Hinblick auf die auszuführende Aufgabe angepaßt werden können.
    • Ohne Wissen der Benutzer darf keine Vorrichtung zur qualitativen oder quantitativen Kontrolle verwendet werden.“

    Siehe auch: http://www.ergonomie-leitfaden.de/verordnung.htm
    Die Wichtigkeit der Bildschirmarbeitsverordnung ist vielleicht einer der Gründe für den Versuch der “Stoiber-Kommission”, dieses wertvolle Instrument des Arbeitsschutzes auf europäischer Ebene zu schwächen.
    Die Frage der Arbeitnehmervertretung an die Arbeitgeberin ganz am Anfang des Blog-Artikels ist noch offen. Was meinen Sie: Ist es möglich, dass die Arbeitgeberin keine Antwort gab, aber in der Gefährdungsbeurteilung für die Arbeitsplätze vieler Mitarbeiter behauptete, dass die Bildschirmarbeitsverordnung eingehalten werde? Lagen Belege vor, dass bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich psychischer Belastungen ermittelt und beurteilt werden, sowie konkreten Prozesse und Beispiele dazu im Betrieb dokumentiert sind? Glauben Sie, dass die Gewerbeaufsicht das geprüft hat?
     
    Siehe auch: