Mitwirkung bei der AMS-Gestaltung

BAuA: Sicherheit und Gesundheit mit System, (2011, 70 Seiten)
http://www.baua.de/de/Publikationen/Broschueren/A35.pdf?__blob=publicationFile&v=9


Auch wenn es im Arbeitsschutz in der Regel nicht üblich ist, für bestimmte Aufgaben ein Projekt zu starten und ein Projektmanagement zu praktizieren: Die Einführung eines AMS scheitert, wenn sie nicht professionell geplant und gemanagt wird. Die im Unternehmen vorhandenen Erfahrungen im Projektmanagement sollten daher genutzt werden.
Das nachfolgend dargestellte Projektmanagement kann als Leitfaden für die Einführung eines AMS auch in anderen Unternehmen verwendet werden (siehe hierzu auch die ausführliche Darstellung „AMS richtig einführen“ in Ritter 2011).
 
Projekt starten
Der Betriebsleiter veranstaltete ein Startmeeting mit allen Führungskräften, Vertretern des Betriebsrates, der Sicherheitsfachkraft, dem Betriebsarzt und dem externen Berater. Es wurde eine Projektgruppe gegründet und mit der Konzeption und Koordination der Einführung eines betriebsspezifischen AMS beauftragt. Der Projektgruppe gehörten als ständige Mitglieder an: der Betriebsleiter, Vertreter des Betriebsrates, die Sicherheitsfachkraft, der externe Berater sowie (nach seiner Ernennung) der AMS-Beauftragte. Bei Bedarf oder Interesse wurden weitere Mitglieder (z. B. der Betriebsarzt) und Gäste eingeladen. Die Projektgruppe traf sich je nach Projektfortschritt ca. alle sechs Wochen bzw. bei Bedarf. Sie hatte folgende Aufgaben:

  • Festlegung einer geeigneten Projektorganisation,
  • Gründung und Beauftragung von Arbeitsgruppen,
  • Steuerung der Entwicklung des betriebsspezifischen AMS-Konzeptes,
  • Diskussion, Abstimmung und Inkraftsetzung der von den Arbeitsgruppen entwickelten Festlegungen (AMS-Struktur, AMS-Elemente etc.),
  • Information der Belegschaft,
  • Bewertung des Projektfortschrittes sowie
  • Korrektur der Vorgehensweise, Festlegungen etc. bei Bedarf.

Siehe auch: LV 54

Damit der Arbeitsschutz nicht runterfällt

Es gelingt den Unternehmen zu leicht, Betriebsräte mit Arbeitsschutzmanagementsystemen zu überfordern. Alleine der Begriff ist ja schon ein abschreckendes Wortmonster. Wenn dann ein Arbeitsschutzmanagementsystem (z.B. nach OHSAS 18001 zertifiziert) mit einem Umweltschutzmanagementsystem (nach ISO 14001 zertifiziert) kombiniert wird, kann der schwieriger messbare Arbeitssschutz in Audits leicht vernachlässigt werden.
Das ist schade, denn es gibt Mittel, dem beizukommen. Dazu gehört insbesondere die LASI-Veröffentlichung LV 54, in der die Grundsätze der behördlichen Systemkontrolle beschrieben und Anleitung zur Systembeurteilung gegeben wird. Mit der dazu passenden Systemkontrollliste der Hansestadt-Hamburg kann ein kompetenter Betriebsrat dann selbst die Qualität des Arbeitsschutzmanagementsystems seines Betriebes beurteilen.
Auch gibt es Trainings, in der sich BR-Mitglieder zum internen Auditor für Arbeitsschutzmanagementsysteme ausbilden lassen könnten.

DIN SPEC 91020 ist kein Arbeitssicherheitsstandard

Die Werbung für die DIN SPEC 91020 scheint ohne Unwahrheiten nicht auskommen zu können. Es wird behauptet, die Spezifikation gehe über rechtliche Verpflichtungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz und Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung hinaus. Diese Behauptung ist irreführen. Arbeitsschutz ist kein Gegenstand dieser DIN SPEC, denn sonst wäre sie gar nicht Zustande gekommen.
Erst tut sich zu wenig im Arbeitsschutz. Und jetzt tut sich zu viel.
http://www.lrqa.de/aktuelle-themen/Arbeitssicherheit/standards-und-vorgaben/206773-din-spec-91020-scohs.aspx

Arbeitssicherheit 
DIN SPEC 91020 / SCOHS
Neuer Standard DIN SPEC 91020 veröffentlicht
Das Deutsche Institut für Normung (DIN) hat die Bedeutung des Themas Betriebliches Gesundheitsmanagement erkannt und hat einen entsprechenden Standard entwickelt, der im Juli 2012 als Spezifikation DIN SPEC 91020 veröffentlicht wurde. LRQA war im Arbeitskreis des DIN an der Entwicklung des Standards beteiligt, in den auch die Anforderungen des SCOHS aufgenommen wurden. …


Zertifizierung Ihres Betrieblichen Gesundheitsmanagements – Ihr Nutzen

  • Höhere Leistungsfähigkeit durch gesunde und motivierte Mitarbeiter
  • Optimierte Unternehmensprozesse durch eine gesunde Organisation
  • Höhere Attraktivität Ihres Unternehmens bei der Rekrutierung neuer Führungskräfte und Mitarbeiter
  • Stärkere Bindung Ihrer Kunden durch verbesserte Qualität bei den Prozessen
  • Weniger Fehlzeiten ersparen Ihrem Unternehmen Ersatzpersonal und Lohnfortzahlung

Hier wird die DIN SPEC noch nicht mit Arbeitsschutz assoziiert. Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit sehen ja auch anders aus. Höhere Leistungsfähigkeit, optimierte Unternehmensprozesse, Employer Branding, Kundenbindung und niedrigere Personalkosten sind schön und gut, aber dafür brauchen Sie sich nicht dem Normengeschäft und irgendwelchen Audits auszuliefern. Diese Ziele sind nicht die primären Ziele der Arbeitssicherheit bzw. des Arbeitsschutzes.
Außerdem: Nicht das Deutsche Institut für Normung (DIN) hat die Bedeutung des Themas Betriebliches Gesundheitsmanagement erkannt und einen entsprechenden Standard entwickelt, sondern einige Leute aus der Gesundheitsbranche haben diese “DIN SPEC” ohne die für reguläre deutsche Normen erforderliche mühevolle Arbeit in etwa neun Monaten zusammengeschrieben und vermarkten diesen Standard nun über die DIN-Organisation.
“Das Ziel des Arbeitsschutzes ist, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern.” (LV 54, S. 7). Für den Arbeits- und Gesundheitsschutz konzentrieren Sie sich besser auf Standards wie OHSAS 18001 oder ILO-OHS. Dafür gibt es auch Zertifikate. Mehr brauchen Sie sich nicht aufzuhalsen.
Es ist sinnvoll, einen zertifizierten Arbeits- und Gesundheitsschutz in ein Gesundheitsmanagement und/oder eine Gesundheitsförderung einzubetten. Aber außerhalb des Arbeitsschutzes sind Audits und externe Spezifikationen nicht nötig. Vergeuden Sie kein Geld für das Geschäft von Unternehmen, die sich mit ihren Gesundheitsmanagementstandards einen Markt mit von den Dienstleistungsanbietern selbst bestimmten Regeln entwickeln wollen.
 
Hier nun ein hübsches Beispiel, wie man die DIN SPEC mit dem Begriff “Arbeitsschutz” verknüpfen kann: http://www.gesundheitsmanagement.com/aktuelles/news/ab_sofort_erhaeltlich_din_spec_91020.html

Ab sofort erhältlich: DIN SPEC 91020 „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ …
… Die Spezifikation geht über rechtliche Verpflichtungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz und Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung hinaus …

Das ist irreführend. Eine Spezifikation, die über den Arbeitsschutz hinausgeht, schließt den Arbeitsschutz mit ein. Das trifft auf die DIN SPEC 91020 aber nicht zu. Wenn diese Spezifikation mit Arbeitsschutz zu tun hätte, dann hätte sich das DIN-Institut nicht dafür einspannen lassen.
 
Mehr zu DIN SPEC 91020: http://blog.psybel.de/2012/08/12/din-spec-nach-pas-verfahren/
 


2012-11-21:
“Wenn diese Spezifikation mit Arbeitsschutz zu tun hätte, dann hätte sich das DIN-Institut nicht dafür einspannen lassen.” Das war leider ein Irrtum: http://blog.psybel.de/2012/11/21/b-a-d-macht-verwirrende-angaben/

Butter bei die FischeSystemkontrolle in Hamburg

http://www.hamburg.de/contentblob/120342/data/systemkontrolle.pdf

Freie und Hansestadt Hamburg
Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz Amt für Arbeitsschutz
Hamburger Arbeitsschutzmodell ABS
– Aufsicht, Beratung, Systemüberwachung –
Systemkontrollliste 
Die behördliche Systemkontrolle stellt das Instrumentarium dar, mit dem das Amt für Arbeitsschutz das Vorhandensein und das Funktionieren einer systematischen Arbeitsschutzorganisation überprüft. Seit der Einführung im Jahr 1999 wurde der Gesprächsleitfaden – die Systemkontrollliste – mehrfach überarbeitet und kontinuierlich den geänderten oder neuen Rechtsvorschriften angepasst. Die Systemkontrolle wurde in den letzten Jahren auch aufgrund veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen weiterentwickelt. Insbesondere der Aspekt psychischer Belastungen bei der Arbeit wurde in die Überprüfung aufgenommen und ausgebaut.
Die vorliegende Systemkontrollliste erfüllt die Anforderungen der „Grundsätze der behördlichen Systemkontrolle“ (LV 54) des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) vom März 2011 und der „Leitlinie Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes“ der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) vom Dezember 2011

Inhalt der Systemkontrollliste

  1. Unternehmenspolitik, Verantwortung und Betriebsstruktur (Element 1)
  2. Mitarbeitervertretung, -beteiligung (Element 11)
  3. Prävention
  4. Arbeitssicherheitssystem – Arbeitsschutzexperten (Element 3)
  5. Mitarbeiter-Unterweisungen und –Qualifikation (Element 6)
  6. Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen (Element 8)
  7. Erste Hilfe, Notfallmaßnahmen (Element 9)
  8. Arbeitsmittel und Geräte – Prüfung, Wartung, Beschaffung
  9. Ergebnisse stichprobenartiger Überprüfungen vor Ort
  10. Gesamtbewertung

Hier kontrolliert die Behörde, ob sie sich auch darauf verlassen kann, dass sich das Unternehmen an die selbstgewählten Spielregeln hält. Ein Beispiel ist OHSAS 18001. Wenn das Arbeitsschutzmanagementsystem in Ordnung ist, dann kann die Behörde auch darauf vertrauen, dass beispielsweise Gefährdungsbeurteilungen ordentlich durchgeführt werden.
.

Gefährdungsbeurteilung hat besonderen Stellenwert

Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik
http://lasi.osha.de/de/gfx/publications/lv54_info.htm
http://lasi.osha.de/docs/Lv54.pdf

3.3.2 Gesamtbewertung
Die Bewertung der Eignung der Arbeitsschutzorganisation durch die Behörde ergibt sich aus der gemeinsamen Bewertung der Elemente und der Complianceprüfung. Ein besonderer Stellenwert wird dabei der Organisation der Gefährdungsbeurteilung im Betrieb eingeräumt: Die Gesamtbewertung der Arbeitsschutzorganisation kann nicht besser ausfallen als die Bewertung des Elements „Organisation der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung“. In der Gesamtbewertung muss, neben der Situation der Arbeitsschutzorganisation, auch die Qualität der jeweils konkreten „Maßnahmen des Arbeitsschutzes“ Berücksichtigung finden. Mängel im Arbeitsschutz, die bei der Complianceprüfung festgestellt werden (gemessen an Zahl und Intensität von Verstößen gegen materielle Arbeitsschutzvorschriften), geben als „Wirkungsindikatoren“ Hinweise, inwieweit eine Organisation auch in der Praxis geeignet ist, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten. Die Analyse der Ursachen derartiger Mängel wird wiederum Defizite der Arbeitsschutzorganisation und in der Umsetzung ihrer Elemente aufzeigen.

(Hervorhebung nachträglich eingefügt)

Damit OHSAS 18001 nicht zur Farce wird

Kleiner Tip an Aufsichtsbeamte: Wenn es in den von Ihnen kontrollierten Betrieben Arbeitnehmervertreter gibt und wenn diese Betriebe nach OHSAS 18001 zertifiziert sind, dann lassen Sie sich bitte nicht von dem Zertifikat sedieren, sondern fragen Sie die Arbeitnehmervertreter proaktiv, ob und wie sie an dem Zertifizierungsprozess und den Überprüfungen (z.B. interne Audits) beteiligt werden. Der Standard verlangt das. Ist es geregelt und dokumentiert, wie die Arbeitnehmer beteiligt werden oder läuft das als Gefälligkeit des Arbeitgebers? Wie wird der Standard, wie es so schön heißt, wirklich gelebt?
Kennen die Arbeitnehmer die Gefährdungsbeurteilung zu ihren Arbeitsplätzen? Wurden die Arbeitnehmer in den vorgeschriebenen Unterweisungen auch mit dem kniffeligen Thema der psychischen Belastungen vertraut gemacht?
Überprüfung des Arbeitsschutzsystems: Alternativ zur nach der LV 54 etwas “lockereren” Kontrolle zertifizierter Unternehmen ist es keine schlechte Idee, die zertifizierte Norm, die sich das Unternehmen ja freiwillig ausgesucht, auch zum Maßstab der Kontrolle zu machen. In Hamburg verfährt die Aufsichtsbehörde dabei wieder nach der LV 54. Interessant ist auch eine Checkliste der BG ETEM.
Arbeitnehmervertreter sollten verstehen und nachvollziehen können, wie man für OHSAS 18001 (z.B. mit EN ISO 19011) interne Audits macht. So etwas kann man lernen. Auch der Betriebsrat kann Audits durchführen.
(aktualisiert: 2013-04-03)

Arbeitsschutzorganisation ist Pflicht

Grundsätze der behördlichen Systemkontrolle, LV 54, 2011-03
Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI)
http://blog.psybel.de/2011/12/29/grundsaetze-der-behoerdlichen-systemkontrolle/
S. 9:

2 .Ziele der behördlichen Systemkontrolle 
Die behördliche Systemkontrolle stellt das Instrumentarium dar, mit dem die zuständige Arbeitsschutzbehörde das Vorhandensein und das Funktionieren einer systematischen Arbeitsschutzorganisation hinsichtlich ihrer Eignung im Sinne des § 3 ArbSchG überprüft. Werden Defizite festgestellt, wirkt die zuständige Arbeitsschutzbehörde auf eine geeignete betriebliche Organisation hin.
Eine geeignete Organisation muss sicherstellen, dass:

  • die Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden,
  • Mängel im Arbeitsschutz festgestellt und beseitigt werden,
  • Schwachstellen in der Arbeitsschutzorganisation einschließlich der organisatorischen Ursachen konkreter Arbeitsschutzdefizite analysiert sowie Korrektur- und Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt werden,
  • die innerbetriebliche Kommunikation und die Zusammenarbeit sowie der innerbetriebliche Erfahrungsaustausch im Arbeitsschutz unter Einbeziehung aller Hierarchieebenen erfolgt,
  • die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten nachhaltig verbessert werden,
  • sicherheits- und gesundheitsgerechtes Verhalten dauerhaft ermöglicht und gefördert wird.

 
S. 37, Anlage:

4.1 Rechtsgrundlagen 
Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) regelt die Gewährleistung und Verbesserung der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten. Dabei stehen Prävention und Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Mittelpunkt. Die Verpflichtung des Arbeitgebers eine geeignete Organisation des Arbeitsschutzes zu schaffen ist in § 3 ArbSchG verankert.
Das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) regelt den Einsatz von Fachkräften für Arbeitssicherheit und
den Einsatz von Betriebsärzten. Damit soll erreicht werden, dass

  • die dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung dienenden Vorschriften den besonderen Betriebsverhältnissen entsprechend angewandt werden,
  • gesicherte arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Erkenntnisse zur Verbesserung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung verwirklicht werden und
  • die dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung dienenden Maßnahmen einen möglichst hohen Wirkungsgrad erreichen.

Rechtsgrundlagen für die Überwachung der Arbeitsschutzorganisation, die Beratung des Arbeitgebers, die Möglichkeit der Anordnung und weiterer Befugnisse sind das Arbeitsschutzgesetz (§ 21 (1), § 22 ArbSchG) und das Arbeitssicherheitsgesetz (§12, § 13 ASiG) sowie Einzelregelungen in den auf das Arbeitsschutzgesetz gestützten Rechtsverordnungen.
Für die Länderbehörden bedeutet dies, dass

  • die Überwachung der Erfüllung der Pflicht des Arbeitgebers zur Arbeitsschutzorganisation und die diesbezügliche Beratung Kernaufgaben sind,
  • die Erfüllung der rechtlich vorgegebenen Einzelverpflichtungen und deren betriebliche Wirksamkeit zu überprüfen ist und
  • im Rahmen der Beratung mindestens eine funktionierende Arbeitsschutzorganisation bis hin zu einem Arbeitsschutzmanagementsystem als kontinuierlicher Prozess im Betrieb anzustreben ist.

Das heißt für Arbeitnehmervertreter, dass die Implementierung der Gefährdungskategorie “psychische Belastungen” beim Arbeitsschutz ihres Betriebes schon irgendwie prozesshaft geregelt sein muss. Das Gesetz schreibt dem Arbeitgeber zwar nicht vor, wie er den Einbezug dieser Kategorie in den Arbeitsschutz umsetzt. Aber es muss eine nachvollziebar und prüfbare Organisation dafür aufgebaut werden.
Gibt es Betriebsräte oder Personalräte in dem Unternehmen, dann dürfen sie in die zu dieser Organisation notwendige Dokumentation nicht nur Einsicht nehmen, sondern Arbeitnehmervertreter haben dann sogar die Pflicht zur Mitbestimmung. Diese darf nicht durch eine intransparente Organisation des Arbeitsschutzes behindert werden.

4.3 Zielsetzung
Zielsetzung der behördlichen Systemkontrolle ist die

  • Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Arbeitsprozessen in Betrieben,
  • Stärkung der unternehmerischen Eigenverantwortung,
  • Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften in Betrieben,
  • Feststellung und Abstellung von Mängeln,
  • Verbesserung der betrieblichen Aufbau- und Ablauforganisation,
  • Integration von Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit in die Geschäftsprozesse der Organisation,
  • Förderung der systematischen Wahrnehmung des Arbeitsschutzes in Betrieben,
  • Nachhaltigkeit der behördlichen Überwachungstätigkeit im Betrieb.

 
Siehe auch: http://www.gda-portal.de/de/Betreuung/Leitlinie-Organisation-AS.html

Trick 18

Können Unternehmen ein Zertifikat z.B. nach OHSAS 18001 für ihr Arbeitsschutzmanagementsystems (AMS) vorzeigen, dann fühlt sich die behördliche Aufsicht bei vom Unternehmen eigeninitiierten Überwachungsmaßnahmen entlastet und prüft darum weniger sorgfältig. Das kann zu Problemen für die zu schützenden Arbeitnehmer führen, denn die Zertifikatoren haben eine unterschiedliche Qualität. Deswegen sollt sich die behördliche Aufsicht nicht zu naïv auf Zertifikate verlassen.
Die Ergebnisse aktueller Forschungsprojekte zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung (aus einem Bericht von Ina Krietsch und Thomas Langhoff, Prospektiv GmbH, Dortmund für BAuA/GRAziL, 2007-09 – 2010-04) sehen immer noch so aus:

Unternehmen greifen ohne die Impulsgebung durch Gewerkschaften, Betriebsräte bzw. Arbeitsschutzbehörden (vereinzelt) das Thema »Psychische Belastungen« als Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung (GB) i. d. R. nicht auf.

Diese Impulsgeber sind auch unter den Akteuren, die daran interessiert sind, eine hohe tatsächliche Qualität des Einbezugs psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz zu sehen:

  • Arbeitsschutzbehörden,
  • Berufsgenossenschaften,
  • Arbeitnehmer (ggf. vertreten durch den Betriebsrat oder den Personalrat).

Es gibt eine ganz gute Tradition der Zusammenarbeit zwischen diesen drei Beobachtern. Einen weiterer Akteur ist jedoch hinzugekommen:

  • Zertifizierungsgesellschaften


 
Mit diesen Zertifizierungsgesellschaften sind Arbeitnehmer und ihre Vertreter oft viel weniger gut vertraut. Das Thema ist den Betriebsräten und Personalräten zu trocken und zu kompliziert. Sie nehmen es nicht ernst. Das ist ein Fehler. Denn nun schreiben die Arbeitsschutzbehörden in ihren Grundsätzen der behördlichen Systemkontrolle (LASI: LV 54, Anhang, S. 42):

5. Umgang mit zertifizierten Systemen
Der erfolgreiche Abschluss einer Prüfung der Wirksamkeit eines Arbeitsschutzmanagementsystems (AMS) oder vergleichbaren Systems soll zu Entlastungen bei eigeninitiierten Überwachungsmaßnahmen führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betrieb Bescheinigungen, Gütesiegel oder andere Zertifikate, die die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes bewerten, vorlegt und diese die Inhalte und Anforderungen des Nationalen Leitfadens erfüllen. Anlassbezogene Maßnahmen der zuständigen staatlichen Behörden bleiben unberührt. Über die Ergebnisse werden die Unfallversicherungsträger ggf. informiert.

Trick 18: Gesundheit und ethische Überlegungen haben für viele Arbeitgeber im Arbeitsschutz einen niedrigeren Stellenwert, als die Notwendigkeit, Vorschriften einhalten zu müssen. Der Hauptmotivator ist also Rechtssicherheit. Diese zu gewinnen ist für Unternehmer ein wichtiger Grund, sich nach OHSAS 18001 zertifizieren zu lassen. Der Kontrolldruck durch überlastete Berufsgenossenschaften und Arbeitsschutzbehörden auf die Betriebsleitungen wird schwächer, wenn Betriebe eine Zertifizierung nach OHSAS 18001 (oder ähnliche Zertifikate) vorzeigen können. Damit gehen den Betriebsräten und den Personalräten die Berufsgenossenschaften und Arbeitsschutzbehörden als wichtige Partner teilweise verloren. Diese Organe werden aber zur Stärkung der Mitbestimmung benötigt. Mitarbeiter haben das Recht, sich an die Behörden wenden zu können, nicht aber in gleicher Weise an Zertifikatoren. Zertifizierten Unternehmen könnte es so gelingen, mit dem von einem Unternehmen der Privatwirtschaft erteilten Vorzeigezertifikat die Rechte der Arbeitnehmer zu schwächen, darunter auch das Recht auf Mitbestimmung.
Gegenstrategien:

  • Arbeitnehmervertreter arbeiten sich z.B. in OHSAS 18001:2007 ein, oder besser noch in OHSAS 18002:2008 (ein kleines und gut lesbares Lehrbüchlein). Wenn sie ganz professionell vorgehen wollen, dann lassen sie sich als interne Auditoren ausbilden. Das sollte innerhalb einer Woche zu schaffen sein. Wenn die Gewerkschaften aufwachen (es gibt da schon Leute, die’s gemerkt haben), dann könnten auch sie möglicherweise solche Auditoren trainieren, ggf. in Zusammenarbeit mit Zertifizierungsgesellschaften.
  • Kontrolle nach LV 54, ob sich das Unternehmen an die von ihm selbst gewählten Regeln hält.
  • Arbeitnehmervertreter müssen darauf achten, dass sich behördliche Aufsichtspersonen nicht unkritische auf zertifizierte Arbeitsschutzmanagementsysteme verlassen.
  • Arbeitnehmervertreter beteiligen sich an Audits und können den § 81 des Betriebsverfassungsgesetzes nutzen, um für eine kritische Überprüfung Einblick in Auditberichte zu erhalten.

 


http://netkey40.igmetall.de/homepages/sued-niedersachsen-harz/hochgeladenedateien/Dokumente/metallzeitung/2011/2011_06_LS_SNH.pdf

… Deshalb achtet der Betriebsrat besonders auch auf den Gesundheits und Arbeitsschutz. So sind die Seesener nach »OHSAS 18001« und Sicherheit mit System (SMS) zertifiziert und innerhalb der Ardagh-Group-Metal mit dem »Safety-Award 2010« ausgezeichnet. Zudem hat der Betriebsrat durchgesetzt, dass kostenlose Wasserspender aufgestellt wurden. …

Gratulation an den kämpferischen Betriebsrat.
Es gibt Unternehmen mit einem stolz vorgezeigten Zertifikat für OHSAS 18001, die jedoch die Gefährdungskategorie “psychische Belastungen” noch überhaupt nicht in ihrem Arbeitsschutz kennen. So ein Zertifikat wirkt schon ziemlich dämpfend auf die Aufmerksamkeit der Arbeitsschutzbehörden und Berufsgenossenschaften.

Begehungen durch Arbeitsschutzfachleute und den Betriebsrat

Hier finden Sie ein paar Hinweise, worauf bei Begehungen von Arbeitsplätzen hinsichtlich der Qualität von Gefährdungsbeurteilungen zu achten ist.
http://blog.psybel.de/wie-die-aufsicht-prueft/#lv52, LV 52, Integration psychischer Belastungen in die Beratungs- und Überwachungspraxis der Arbeitsschutzbehörden der Länder, darin aus dem Anhang 6 GB-Check Prozessqualität – Arbeitshilfe Interviewleitfaden zur Bewertung des Prozesses der Gefährdungsbeurteilung,  2009, S. 26 und 27:

Beteiligung Führungskräfte: Die mittleren und unteren Führungskräfte wurden bei der Ermittlung und Veränderung psychischer Belastungen beteiligt? 

  • Wie?
  • Melde-/ Beschwerdewesen, durch die Methodenwahl z.B. Fragebogen, Gruppenmoderation, MAG, Einzelinterviews

Planungen: Gefährdungsbeurteilung wurde systematisch geplant.

  • Wer war mit der Umsetzung beauftragt?
  • Wurden Arbeitsbereiche und Tätigkeiten festgelegt?
  • Beurteilungsablauf festgelegt?

Risikofaktoren: Die wesentlichen Risikofaktoren für psychische Fehlbelastung werden berücksichtigt.

  • Abgleich mit Merkmalliste

Vollständigkeit: Alle Arbeitsbereiche und Tätigkeiten wurden auf psychische Belastungen hin beurteilt.

  • Wurden Prioritäten gesetzt?
  • Welche Bereiche wurden ausgelassen?
  • Aus welchem Grund?

Maßnahmenfestlegung: Bei psychischen Fehlbelastungen wurden Maßnahmen festgelegt.

(nachträgliche Anmerkung in eckigen Klammern)
 
Siehe auch:

 
(Aktualisierung: 2012-06-23. Ursprüngliches Datum: 2011-10-21)

Grundsätze der behördlichen Systemkontrolle

Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik
http://blog.psybel.de/lasi-veroeffentlichungen/#LV54, Inhalt:

1. Einleitung 9
2. Ziele der behördlichen Systemkontrolle 9
3. Bestandteile der behördlichen Systemkontrolle 10
3.1 Vorgehen 10
3.2 Inhalte 11
3.3 Bewertung 14
3.3.1 Bewertungssystematik 14
3.3.2 Gesamtbewertung 15
Anhang 17
Bewertungssystematik für die Arbeitsschutzorganisation 19
Verfahrensanleitung zur Systemkontrolle 35

Vorwort:

Das Ziel des Arbeitsschutzgesetzes ist, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern. Maßnahmen des Arbeitsschutzes, einschließlich der Maßnahmen zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit, können in den Betrieben längst nicht mehr von Einzelinitiativen und Zufällen abhängig gemacht werden. Die komplexen Anforderungen an den Arbeitsschutz bei neuen Technologien und Prozessen sowie die notwendige weitere Reduzierung von Arbeitsunfällen und arbeitsbedingten Erkrankungen drängen zu einem effizienten und systematischen Arbeitsschutz in den Betrieben. Dieser trägt zur langfristigen Kostenentlastung der Betriebe sowie der sozialen Sicherungssysteme bei.
Angesichts dieser Entwicklungen in der Arbeitswelt kann auch die Aufsichtstätigkeit (Überwachung und Beratung) der staatlichen Arbeitsschutzbehörden nicht mehr bei Einzelmaßnahmen ansetzen. Vielmehr müssen Betriebe als Systeme betrachtet und als „Organisationsgebilde“ verstanden werden. Ursachen für Arbeitsschutzmängel müssen aufgedeckt werden. Dabei kann die Ursachenprüfung nicht beim Fehlverhalten des Arbeitnehmers enden, denn allzu häufig finden sich Fehler in der Delegationskette, in der Bereitstellung von Informationen, oder es sind Zuständigkeiten oder Abläufe unklar.
Die vorliegende LASI-Veröffentlichung „Grundsätze der behördlichen Systemkontrolle“ (LV 54) konkretisiert die Ziele, das Vorgehen und die Inhalte der Überwachung und Beratung durch die staatlichen Arbeitsschutzbehörden zur Arbeitsschutzorganisation. Sie ersetzt teilweise die im Jahr 2003 erschienene LASI-Veröffentlichung LV 33 [Teil A; Teil B der LV 33 wird noch überarbeitet].
Die Neufassung dieser LASI-Veröffentlichung verdeutlicht den hohen Stellenwert, den die behördliche Systemkontrolle für die Arbeitsschutzbehörden der Länder hat.
Die Aufsichtstätigkeit der staatlichen Arbeitsschutzbehörde hat insbesondere die wirksame Umsetzung der gesetzlichen Verpflichtungen im Blick. Der Bewertung der Arbeitsschutzorganisation im Betrieb kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Durch die LV 54 wird die Überwachung und Beratung von Betrieben als kontinuierlicher Prozess der Behörden angelegt, der die Verbesserung des Niveaus der Arbeitsschutzorganisation im Betrieb anstrebt. Gleichzeitig wird im Rahmen der staatlichen Beratung eine funktionierende Arbeitsschutzorganisation bzw. ein Arbeitsschutzmanagementsystem als kontinuierlicher Prozess im Betrieb gefördert.
Bremen / Hannover im März 2011

(Hervorhebung, Hyperlinks und Anmerkung in eckigen Klammern nachträglich eingefügt)
Siehe auch: