GDA-Leitlinien: 2008, 2011 und 2015

Die GDA-Leitlinien zur Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation sind nicht neu. Sie bauen auf LASI-Veröffentlichungen und DGUV-Veröffentlichungen auf.
Zum Vergleich drei Versionen: 2008, 2011 und 2015. (Von der Ausgabe aus dem Jahr 2012 habe ich keine Kopie.)
 
Weitere Links zur GDA und zu Dokumenten, die es früher schon gab (PsyGeb):

 

Geltendes Recht klargestellt

Es gibt Unternehmen, die in Mitteilungen an ihre Mitarbeiter den Eindruck erwecken, dass der Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz im Arbeitsschutzgesetz erst seit kurzem vorgeschrieben sei. Das ist Desinformation.
Kern der Gesetzesänderung war nur eine Klarstellung bereits geltenden Rechts: Arbeitgeber haben psychische Belastungen bereits seit dem Jahr 1996 in den Arbeitsschutz einzubeziehen. Die Analyse der psychischen Belastungen hatte schon immer ein Bestandteil einer umfassenden Gefährdungsbeurteilung zu sein, wie z. B. ein Blick in die BGI/GUV-I 8700 aus dem Jahr 2009 zeigt (Kap. 3.10).
Auch die behördliche Aufsicht hat zumindest gewusst (wenn auch kaum umgesetzt), was von ihr erwartet wird: Der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit (LASI) erstellte zur Nutzung durch die behördliche Aufsicht die folgenden Veröffentlichungen:

  • LV 28 (2002) Konzept zur Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz und zu Möglichkeiten der Prävention
  • LV 31 (2003) Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz und Möglichkeiten der Prävention – Handlungsanleitung für die Arbeitsschutzverwaltungen der Länder
  • LV 52 (2009) Integration psychischer Belastungen in die Beratungs- und Überwachungspraxis der Arbeitsschutzbehörden der Länder

Man sieht: Der Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz hätte schon seit vielen Jahren von der behördlichen Aufsicht überprüft werden müssen.
Die Aufsicht ist aber noch heute so geschwächt, dass sie nicht glaubwürdig überprüfen kann, ob in den Betrieben psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einbezogen werden. Als Referenz für Compliance ist sie damit eigentlich irrelevant. Das Aufsichtssystem hat hier schlicht versagt. Im Jahr 2012 konnte das nun nicht mehr ignoriert werden: Das Thema kam in den Bundestag (Bundestagsdrucksache 17-10229). Es wurde damals festgestellt, dass in etwa 80% der Betriebe in Deutschland psychische Belastungen nicht in der vorgeschriebenen Weise beurteilt wurden.
Das hier gegen bereits vor der Gesetzesänderung geltendes Recht verstoßen wurde, wird sogar von den Arbeitgebern bestätigt. Die Arbeitgebervereinigung BDA schrieb am 30.8.2013: „Gesundheit ist nicht teilbar, körperliche und seelische Gesundheit hängen zusammen und bedingen einander. … Zur Klarstellung dieses bereits heute geltenden Grundsatzes soll das ArbSchG in § 5 Abs. 3 Nr. 6 künftig ausdrücklich um den Gefährdungsfaktor ‘psychische Belastungen bei der Arbeit’ ergänzt werden“
Aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode, Absatz „Ganzheitlicher Arbeitsschutz“: „in bestehenden Arbeitsschutzverordnungen, die noch keine Klarstellung zum Schutz der psychischen Gesundheit enthalten, dieses Ziel aufnehmen“
Im Januar 2013 stellte der Bundesrat klar: „Durch zwei Änderungen im Arbeitsschutzgesetz soll klargestellt werden, dass sich die Gefährdungsbeurteilung auch auf psychische Belastungen bei der Arbeit bezieht und der Gesundheitsbegriff neben der physischen auch die psychische Gesundheit der Beschäftigten umfasst.“
Auf meine Petition 1902 (18.1.2009) „Betrieblicher Arbeitsschutz – Psychische Belastungen“ antwortete mir der Petitionsausschuss: „Der Petitionsausschuss hat zu der Eingabe eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) eingeholt. Darin führt das BMAS im Wesentlichen aus, dass es die Auffassung des Petenten teile, dass das Thema Psychischen Belastungen unabdingbarer Bestandteil des Arbeitsschutzes sei.“
Österreich änderte sein Arbeitnehmerschutzgesetz übrigens etwas früher als Deutschland. Auch dort wurde nur bereits geltendes Recht klargestellt:
Der Standard schrieb am 20. September 2013: „Unternehmen müssen das [Evaluation psychischer Belastungen im Job] eigentlich schon seit dem Jahr 1995 machen, das ist EU-Recht, allerdings geschah das in der Praxis zu selten. Das Gesetz ist davon ausgegangen, dass die gesamte Arbeitssituation zu evaluieren ist. Nachdem das allerdings im Bereich der psychischen Belastungen kaum passiert ist, bietet es eigentlich nur eine Verdeutlichung, dass die Begriffe physische und psychische Belastungen jetzt vorkommen.“
Und in der Regierungsvorlage zur Änderung des österreichischen Arbeitnehmerschutzgesetzes steht : „Bei den Änderungen in § 2 Abs. 7 und 7a handelt es sich um bloße Klarstellungen, bereits nach geltender Rechtslage sind die dort angeführten Begrifflichkeiten so zu verstehen.“

2002: Schleppende Umsetzung

In einem Hinweis (http://lasi.osha.de/de/gfx/publications/lv21_info.htm) zur LV 28 schrieb der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit (LASI) bereits im Jahr 2002:

Konzept zur Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz und zu Möglichkeiten der Prävention (LV 28)
Ausgabejahr 2002 – Seiten 33 – Format A4 – ISBN 3-936415-24-2
Psychische Über- und Falschbelastungen am Arbeitsplatz schädigen nicht nur die Gesundheit der Menschen, sondern wirken sich auch auf die Leistungsfähigkeit der Betriebe negativ aus. Eine Studie der Internationalen Arbeitsorganisation aus dem Jahr 2000 kommt zu dem Ergebnis, dass in Deutschland jeder 7. Fall von Frühinvalidität und jeder 6. Krankheitstag durch psychische Fehlbelastungen verursacht sind. Die gesamten Folgekosten werden auf rund 70 Mrd. Euro geschätzt. Europaweit klagen mehr als ein Viertel aller Beschäftigten über arbeitsbedingte Gesundheitsprobleme infolge von Stress, Tendenz zunehmend.

Vor diesem Hintergrund hat der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe aller Länder unter Leitung Bayerns beauftragt, ein “Konzept zur Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz und zu Möglichkeiten der Prävention” zu erstellen. Die Informationen des Konzeptes sind nicht nur für die Arbeitsschutzverwaltungen der Länder geeignet, sondern von allen nutzbar, die mit diesen Themen zu tun haben oder sich dafür interessieren.
Zur praktischen Umsetzung des Konzeptes wird die interdisziplinäre Arbeitsgruppe eine “Handlungsanleitung für die Arbeitsschutzverwaltungen der Länder zur Ermittlung psychischer Fehlbelastungen und zu Möglichkeiten der Prävention” erstellen, die als LV 31 erscheinen wird.

(Links und Hervorhebungen nachträglich eingefügt)
 
http://lasi.osha.de/docs/lv21_03_06.pdf

Vorwort 
Die gegenwärtige Arbeitswelt ist von einem Strukturwandel geprägt, der für eine Vielzahl von Beschäftigten erhebliche Veränderungen im Hinblick auf

  • Arbeitszeit (Nacht- und Schichtarbeit, Arbeit an Wochenenden, Flexibilisierung),
  • Arbeitsorganisation (Gruppenarbeit, Telearbeit, Scheinselbständigkeit) und
  • Belastungen am Arbeitsplatz mit sich bringt

mit sich bringt.
Während in der Vergangenheit die Probleme des Arbeitsschutzes primär im Bereich der Unfallgefährdung und der physischen Belastungen (Lärm, Hitze/Kälte, Gefahrstoffe usw.) lagen, tritt heute und in der Zukunft die Gefährdung von Beschäftigten durch psychische Belastungen am Arbeitsplatz immer stärker in den Vordergrund.
Dies bedeutet aber auch, dass die im Arbeits- und Gesundheitsschutz tätigen Institutionen und Personen sich intensiver mit den „neuen“ Belastungen (z.B. Burnout-Syndrom, Mobbing usw.) auseinandersetzen müssen. Die schleppende Umsetzung in der Praxis zeigt, dass die Problemschwerpunkte unter anderem im Mangel geeigneter Instrumente für die Aufsichtsbehörden zu sehen sind, mit denen psychische Belastungen analysiert und bewertet werden können.
Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder haben daher den Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) beauftragt, ein Konzept zu erstellen, das geeignete Instrumente für die Beurteilung psychischer Belastungen anhand konkreter betrieblicher Situationen beschreibt und Methoden aufzeigt, mit denen Aufsichtsbehörden in das Betriebsgeschehen eingreifen können.
Dieses Konzept liegt jetzt vor und wird durch die Aufnahme in die Reihe der LASI-Veröffentlichungen einer breiten Fachöffentlichkeit vorgestellt.
Es wird in Kürze durch einen Handlungsleitfaden für die staatlichen Arbeitsschutzbehörden ergänzt.
Saarbrücken, den 10. Juni 2002
Gerd Rink
LASI-Vorsitzender

(Links und Hervorhebungen nachträglich eingefügt)
Die “schleppende Umsetzung” startete vermutlich mit der Verabschiedung des Arbeitsschutzgesetzes im Jahr 1996.

Arbeitsschutzmanagementsysteme beim LASI

Aus einer Antwort von https://komnet.nrw.de/:

Informationen zur Thematik Arbeitsschutzmanagementsysteme sind den Lasi-Leitlinienien LV 21 “Arbeitsschutzmanagementsysteme – Spezifikation zur freiwilligen Einführung, Anwendung und Weiterentwicklung von Arbeitsschutzmanagementsystemen (AMS)” und LV 22 “Arbeitsschutzmanagementsysteme – Handlungsanleitung zur freiwilligen Einführung und Anwendung von Arbeitsschutzmanagementsystemen (AMS) für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ” zu entnehmen.
Auf die Leitlinie LV 28 “Konzept zur Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz und zu Möglichkeiten der Prävention” weisen wir ebenfalls hin.
Die v.g. Lasi-Leitlinien sind unter http://lasi.osha.de/de/gfx/publications/lasi_publications.php einsehbar.

Siehe auch:

Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz

Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI)
Konzept zur Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz und zu Möglichkeiten der Prävention
LV 28, 2002
http://blog.psybel.de/lasi-veroeffentlichungen/#LV28
Inhalt:


1 Einleitung und Zielstellung . .9
2 Rechtliche Einordnung . .10
3 Arbeitsbedingte psychische Belastungen .12
3.1 Belastungskonzepte und Belastungsquellen .12
3.2 Folgen psychischer Fehlbelastungen .13
4 Ermittlung psychischer Belastungen .15
4.1 Ermittlung und Beurteilung der Arbeitsbedingungen .15
4.2 Stufenkonzept zur Ermittlung psychischer Belastungen . .16
5 Maßnahmen der Prävention . .17
5.1 Zielkriterien menschengerechter Arbeitsgestaltung . .17
5.2 Ansatzpunkte zur Optimierung der Arbeitsbedingungen . .18
5.3 Wirksamkeitskontrolle . .18
6 Handlungsfelder der staatlichen Arbeitsschutzverwaltungen (ASV’en) .19
6.1 Anlässe für das Handeln der ASV’en .19
6.2 Aktivitäten der ASV’en . .20
6.3 Aufbau und Pflege von Kooperationsnetzwerken .22
6.4 Ansätze zur Kompetenzentwicklung .23
6.4.1 Aufbau von Kompetenzen bei den Mitarbeitern der ASV’en . .23
6.4.2 Ansätze zur Kompetenzentwicklung von Kooperationspartnern . .25
Anhang 1: Ansätze zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastungen .26
Anhang 2: Mögliche Beiträge der Arbeitsschutz-Akteure zu Kooperationsnetzwerken
zur „Ermittlung und Reduzierung psychischer
Fehlbelastungen“ . .28
Literaturverzeichnis . .31