Arbeitet der LASI schon zu gründlich?

http://www.landtag.ltsh.de/plenumonline/dezember2011/texte/47_arbeitsschutz.htm

… Bildungsminister Ekkehard Klug, der in Vertretung von Arbeitsminister Heiner Garg (beide FDP) sprach, wies auch die Forderung nach der Übernahme des Vorsitzes im Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) durch Schleswig-Holstein zurück. Ein solcher Schritt wäre “nicht verantwortbar”, da das Referat Arbeitsschutz im Ministerium für drei Jahre “massiv” gebunden wäre. Überdies, so Klug, gebe es längst einen einstimmigen Beschluss der Länder, das Gremium neu auszurichten und dessen Arbeit zu optimieren. Ziel sei eine gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstrategie, sagte der Minister und betonte: Schon jetzt zeichne sich ab, dass Systemkontrollen wirksamer seien als detaillierte Einzelkontrollen. …

Der LASI nimmt aus der Sicht dieses Politikers den Arbeitsschutz vielleicht schon zu ernst.

Wie gut ist Ihr Arbeitsschutzprogramm?

http://www.sifatipp.de/fachwissen/fachartikel/arbeitsstatten/qualitaetsbarometer-wie-gut-ist-ihr-arbeitsschutzprogramm/

Qualitätsbarometer: Wie gut ist Ihr Arbeitsschutzprogramm?
Der Arbeitsschutz kommt auf den Prüfstand. Dazu wurde im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) ein Qualitätsbarometer beschlossen. Haben Sie schon die Qualität Ihres Arbeitsschutzprogramms untersucht? …

Der kleine Artikel von Oliver Schonschek in sifatipp.de ist recht hilfreich. Die Checkliste (http://www.sifatipp.de/fachwissen/fachartikel/vorlagen/arbeitsschutzmanagement/checkliste-qualitaet-des-arbeitsschutzssystems) ist mir allerdings zu rudimentär.
 
Was aus dem GDA-Qualitätsbarometer wird, hängt von der Umsetzung ab. Ich hoffe, das meine Kritik vorschnell war.
Immerhin reizt das GDA-Qualitätsbarometer Andere möglicherweise an, nach Hinweis auf das GDA-Qualitätsbarometer auch eigene Qualitätsbarometer anzubieten. Da muss man aufpassen, dass hier nichts durcheinander gerät.

Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie

http://www.gda-portal.de/

Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie wird von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern getragen. Ziel ihrer Zusammenarbeit ist, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten durch einen präventiv ausgerichteten und systematisch wahrgenommenen Arbeitsschutz zu verbessern und zu fördern.

Dokumente: http://www.gda-portal.de/de/Betreuung/Leitlinie-Gefaehrdungsbeurteilung_content.html, darin insbesondere:

  • Leitlinie Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation (2011): http://www.gda-portal.de/de/pdf/Leitlinie-Gefaehrdungsbeurteilung.pdf?__blob=publicationFile&v=5

    Ein wesentliches Ziel der von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern entwickelten gemeinsamen deutschen Arbeitsschutzstrategie ist die Festlegung eines abgestimmten Vorgehens der für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden und der Unfallversicherungsträger bei der Beratung und Überwachung der Betriebe. Ausdruck dieser Zielsetzung ist die Erarbeitung eines gemeinsamen Grundverständnisses in Form von Grundsätzen und Leitlinien zu zentralen Themen.
    Die Leitlinien beschreiben gemäß § 20 Abs.1 SGB VII und § 21 Abs. 3 Ziffer 1 ArbSchG methodische Vorgehensweisen der für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden und der Unfallversicherungsträger für die Beratung und Überwachung der Betriebe.
    Die Leitlinien formulieren einen fachlichen Rahmen, der gewährleistet, dass konkrete Überwachungs- und Beratungskonzepte inhaltlich gleichgerichtet und in Funktionalität und Anforderungsprofil gleichwertig ausgestaltet sind. Sie sollten so konkret sein, dass sie Handlungssicherheit für die praktische Anwendung ermöglichen. …

    eine Gefährdungsbeurteilung ist nicht angemessen durchgeführt, wenn

    • die betriebliche Gefährdungssituation offensichtlich unzutreffend bewertet wurde,
    • wesentliche Gefährdungen des Arbeitsplatzes/der Tätigkeit nicht ermittelt worden sind,
    • wesentliche Arbeitsplätze/Tätigkeiten nicht beurteilt wurden,
    • besondere Personengruppen nicht berücksichtigt wurden,
    • Maßnahmen des Arbeitgebers nicht ausreichend oder ungeeignet sind,
    • keine Wirksamkeitskontrolle durchgeführt wurde,
    • die Beurteilung nicht aktuell ist,
    • erforderliche Unterlagen des Arbeitgebers nicht aussagefähig bzw. plausibel sind.

    Bei der Überprüfung von Gefährdungsbeurteilungen ist darauf zu achten, dass folgende Prozessschritte berücksichtigt wurden:

    1. Festlegen von Arbeitsbereichen und Tätigkeiten,
    2. Ermitteln der Gefährdungen,
    3. Beurteilen der Gefährdungen,
    4. Festlegen konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik (bei diesem Schritt ist die Rangfolge der Schutzmaßnahmen nach § 4 Arbeitsschutzgesetz zu beachten),
    5. Durchführung der Maßnahmen,
    6. Überprüfen der Wirksamkeit der Maßnahmen,
    7. Fortschreiben der Gefährdungsbeurteilung (insbesondere Anpassung im Falle geänderter betrieblicher Gegebenheiten- § 3 ArbSchG).

    Die Verpflichtung des Arbeitgebers nach §12 Arbeitsschutzgesetz zur Unterweisung ist zu beachten. …

    Psychische Faktoren

    • 10.1 ungenügend gestaltete Arbeitsaufgabe (z. B. überwiegende Routineaufgaben, Über- / Unterforderung)
    • 10.2 ungenügend gestaltete Arbeitsorganisation (z. B. Arbeiten unter hohem Zeitdruck, wechselnde und /oder lange Arbeitszeiten, häufige Nachtarbeit, kein durchdachter Arbeitsablauf)
    • 10.3 ungenügend gestaltete soziale Bedingungen (z. B. fehlende soziale Kontakte, ungünstiges Führungsverhalten, Konflikte)
    • 10.4 ungenügend gestaltete Arbeitsplatz- und Arbeitsumgebungsbedingungen (z. B. Lärm, Klima, räumliche Enge, unzureichende Wahrnehmung von Signalen und Prozessmerkmalen, unzureichende Softwaregestaltung)
    • 10.5 … (Die Aufzählung ist nicht abschließend.)

    (Hervorhebungen nachträglich eingefügt)

  • Qualitätsgrundsätze zur Erstellung von Handlungshilfen für eine Gefährdungsbeurteilung (2009): http://www.gda-portal.de/de/pdf/Qualitaetsgrundsaetze.pdf?__blob=publicationFile&v=2

 
Weitere Informationen:

 


2012-10-07
http://blog.psybel.de/gda-leitlinie-beratung-und-ueberwachung-bei-psychischer-belastung-am-arbeitsplatz/
 

Vom DGB verpennt?

Nach ein bisschen Herumsurfen habe ich noch diese Veröffentlichung zum Arbeitsschutz-Qualitätsbarometer gefunden:
http://www.gda-portal.de/de/Monatsthema/April2011.html

… Von Mai bis Juli wird das Meinungsforschungsinstitut TNS Infratest 6500 Betriebe und voraussichtlich 5000 bis 6500 Beschäftigte telefonisch zur gelebten Präventionskultur am Arbeitsplatz, zur eigenen Gesundheitskompetenz und zu Basisaufgaben des betrieblichen Arbeitsschutzes wie beispielsweise der Gefährdungsbeurteilung befragen. Von den Unternehmen will die GDA unter anderem wissen, wie zufrieden sie mit den jetzigen Vorschriften sind – und welche Vorschriften der Geschäftsführung beziehungsweise den Arbeitsschutzfachleuten im Betrieb am geläufigsten sind. Die Erhebungsinstrumente für diese groß angelegte Befragung, die eine Art Nulllinie für die weiteren Anstrengungen der Strategie abbilden wird, haben die GDA-Träger gemeinsam mit Vertretern der Sozialpartner Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) entwickelt. Es ist geplant, die Befragung in jeder kommenden GDA-Periode, das nächste Mal also im Zeitraum 2013 – 2017, erneut durchzuführen, um Vergleiche im Zeitverlauf zu ermöglichen. …

(Hervorhebungen nachträglich eingefügt)
Der DGB war also durchaus bei der Entwicklung der Qualitätsinstrumente dabei. Warum sorgte der DGB nicht dafür, dass auch Betriebs- und Personalräten befragt werden, wie zufrieden sie mit den jetzigen Vorschriften sind.

Von den Arbeitnehmervertretern will die GDA unter anderem wissen, wie zufrieden sie mit den jetzigen Vorschriften sind – und welche Vorschriften den Arbeitnehmervertretern im Betrieb am geläufigsten sind.

(Leider kenne ich bis jetzt noch keine Quelle, von der ich so einen Satz hätte zitieren können.)
Das Paar BDA/DGB entspricht dem Paar Geschäftsführung/Arbeitnehmervertreter. Aber in der Befragung scheint das nicht so zu sein. Die Arbeitnehmervertreter, die in den Betrieben den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz vorangetrieben haben, werden nicht gefragt. Wieviel Ehrlichkeit kann man von Geschäftsführungen erwarten, die in ihrer großen Mehrheit ihrer Pflicht zum Einbezug der psychischen Arbeitsbelastung (das ist die Gefährdungskategorie, in der Arbeitsunfähigkeiten am kräftigsten ansteigen) in den Arbeitsschutz nicht nachkommen? Hat der DGB hier eine Chance verschlafen, für die Einbindung von Arbeitnehmervertretern zu sorgen?
Es gibt Betriebe, in denen die Geschäftsführung beziehungsweise die Arbeitsschutzfachleute meinen, dass psychische Belastungen vorschriftsgemäß beurteilt werden, aber der Betriebsrat weiß, dass sich der Arbeitgeber irrt.

Arbeitsschutz auf dem Prüfstand

http://www.gda-portal.de/de/pdf/PM-Evaluation.pdf

Arbeitsschutz auf dem Prüfstand: Qualitätsbarometer beschlossen
In punkto Arbeitsschutz wird es in Deutschland künftig ein Qualitätsbarometer geben: Dazu befragen die zuständigen Institutionen in den kommenden Monaten insgesamt ca. 5000 Beschäftigte und insgesamt rund 6500 Verantwortliche in den Betrieben zu Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Die Umfrage wird vom Meinungsforschungsinstitut Infratest durchgeführt und soll regelmäßig wiederholt werden.
„Bund, Länder und gesetzliche Unfallversicherung bündeln zunehmend ihre Kompetenzen, um den Arbeitsschutz noch effizienter und schlagkräftiger zu machen“, sagt Steffen Röddecke, Vorsitzender der Nationalen Arbeitschutzkonferenz. „Mit gemeinsamen Programmen zu ausgewählten Brennpunkten im Arbeitsschutz, durch größere Praxisnähe des Vorschriften- und Regelwerks sowie durch eine stärker koordinierte Beratungs- und Überwachungstätigkeit wollen wir nachhaltig für sichere und gesündere Arbeitsplätze sorgen“.
Wie wirksam der Gesundheitsschutz in den Betrieben wirklich ist, wollen die mit der Arbeitsschutzaufsicht betrauten Institutionen und das BMAS durch ein im Rahmen der GDA beschlossenes Qualitätsbarometer herausfinden. Hierzu werden neben der Befragung der Betroffenen auch statistische Daten, zum Beispiel zu Arbeitsunfällen und Erkrankungen, ausgewertet. In den Interviews werden die Beschäftigten nach gesundheitlichen Beschwerden gefragt, die sie auf Arbeitsbedingungen zurückführen. Arbeitgeber sollen vor allem die Arbeit der Aufsichtsdienste des Staates (Gewerbeaufsichtsämter und Ämter für Arbeitsschutz) und der Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften und Unfallkassen) beurteilen. Erste Zwischenergebnisse werden noch diesen Herbst erwartet.
Zur GDA:
Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) wird von Bund, Ländern und gesetzlicher Unfallversicherung getragen. Ziel ihrer Zusammenarbeit ist es, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten durch einen präventiv ausgerichteten und systematisch wahrgenommenen Arbeitsschutz zu verbessern und zu fördern.
Weitere Informationen:
Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie: www.gda-portal.de
Kontakt:
Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie
c/o Geschäftsstelle der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz
Sabine Sommer
Tel: 030 515 48 4212

Interessant ist dieser Satz: “Arbeitgeber sollen vor allem die Arbeit der Aufsichtsdienste des Staates (Gewerbeaufsichtsämter und Ämter für Arbeitsschutz) und der Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften und Unfallkassen) beurteilen.” Die die INQA schreibt: “Unternehmen greifen ohne die Impulsgebung durch Gewerkschaften, Betriebsräte bzw. Arbeitsschutzbehörden (vereinzelt) das Thema “Psychische Belastungen” als Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung (GB) i. d. R. nicht auf.” Warum also werden nicht die Personalräte und die Betriebsräte befragt? Warum dürfen nicht auch die Arbeitnehmervertreter als wichtige Treiber (mit eben nur “vereinzelter” Hilfe der Arbeitsschutzbehörden) des ganzheitlichen Arbeitsschutzes die Arbeit der Aufsichtsdienste des Staates beurteilen?
Die Arbeitgeber zu fragen, ist so, als ob man nur Leute, die nicht so gerne Steuern zahlen möchten, die Arbeit der Steuerfahndung beurteilen lassen wollte, aber die Kommunen (und Andere, die Steuerzahlungen brauchen) nicht befragen möchte.
Bedenklich ist auch dieser Satz: “In den Interviews werden die Beschäftigten nach gesundheitlichen Beschwerden gefragt, die sie auf Arbeitsbedingungen zurückführen.” Hier wird von vorneherein ein angreifbares Ergebnis vorbereitet, das man als “subjektiv” abtun kann, denn es wird von den Beschäftigten verlangt, Fehlbelastungs- bzw. Fehlbeanspruchungsfolgen laienpsychologisch auf Arbeitsbedingungen zurückzuführen. Es gibt inzwischen genügend Kurzverfahren (z.B. COPSOQ oder selbst der von einem arbeitgebernahen Institut entwickelte KPB), mit denen Arbeitnehmer direkt Belastungen beschreiben können. Daran könnte sich Infratest anlehnen.
Für ein ernst gemeintes Qualitätsbarometer wären auch diese Fragen an Mitarbeiter sinnvoll (Beispiele):

  1. Werden in ihrem Unternehmen psychische Belastungen von Gefährdungsbeurteilungen erfasst?
  2. Gibt es dazu eine Betriebsvereinbarung?
  3. Können Mitarbeiter die Gefährdungsbeurteilung zu ihrem Arbeitsplatz jederzeit einsehen?
  4. Stellt die Gefährdungsbeurteilung die Situation Ihrer Arbeitsbedingungen richtig dar?
  5. Wurde Ihnen in der Arbeitsschutzunterweisung die Unterschiede zwischen Verhaltens- und Verhältnispräventione sowie zwischen Fehlbeanspruchung und Fehlbelasung verdeutlicht?
  6. Sind im Gesundheitsmanagement ihres Unternehmens die Verhaltensprävention und Verhältnisprävention im Gleichgewicht?
  7. Müssen Sie die Nutzung von Einrichtungen zur Gesundheitsvorsorge, die im Rahmen eines Gesundheitsmanagements angeboten werden, (teilweise) selbst bezahlen?

Die GDA bräuchte im Grund nur zu veranlassen, dass konsequent Aufsicht geführt wird. Das wäre das gesetzlich vorgeschriebene Qualitätsbarometer. Nun trägt auch noch die GDA dazu bei, dass die Mitbestimmung umgangen wird.
 
Nachtrag (2012-07): Ergebnisse der Befragung werden in http://blog.psybel.de/psychische-belastungen-bei-80-der-betriebe-nicht-beurteilt/ angesprochen.

Petition an den Bundestag: Betrieblicher Arbeitsschutz – Psychische Belastungen

Die Petition wurde abgelehnt. Die Ablehnung wurde sorgfältig begründet: Mit der Antwort stellte der Bundestag bereits im Jahr 2009 klar, dass psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen sind.
Petition eingereicht: 2009-01-18
https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2009/_01/_18/Petition_1902.nc.html

Der Deutsche Bundestag möge beschließen, den tatsächlichen Grad des Einbezugs psychischer Belastungen in die Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes in deutschen Unternehmen durch entsprechende Dienste oder Beauftragte des Bundestages feststellen zu lassen und im Fall einer mangelhaften Umsetzung der Arbeitsschutzgesetzes und vergleichbarer Gesetzte und Vorschriften die personelle Situation der Aufsichtsbehörden so zu verbessern, dass sie ihrer Aufsichtspflicht auch praktisch nachkommen könne
Begründung: Nur ein kleiner Teil der Unternehmen in Deutschland kommt seinen Verpflichtungen nach, auch psychomentale Belastungen (Begriff “psychomentale Belastung”: Zusammensetzung aus “mentaler Belastung” entsprechend der englischsprachigen EN ISO 10075 Norm und “psychischer Belastung” entsprechend der deutschsprachinen EN ISO 10075 Norm) in den Arbeitsschutz mit einzubeziehen. Konkret drückt sich das dadurch aus, dass nur sehr wenige Betriebe in Deutschland die mit Arbeitsaufgaben und Arbeitsplätzen verbundenen psychomentale Belastungen in Gefährdungsbeurteilungen beschreiben (was nur ein erster Schritt ist). Abgesehen von der Gefährdung, die langjährig nicht wirklich umgesetzte Gesetze für die Rechtsstaatlichkeit schlechthin darstellen, bauen sich hier angesichts der Veränderungen der Arbeitswelt neue Hindernisse und Gefahren für wirtschaftliches Wachstum auf. Grundlage der gängigen Wachstumstheorien ist Innovation, also das Ergebnis psychomentaler Belastung. Darum muss das Verständnis dieser Belastungsart und die Durchsetzung der menschengerechten Gestaltung der Arbeit höchste Priorität bekommen. Auch könnte die jetzige “Wirtschaftskrise” auf einen hohen Grad an Ernüchterung und Erschöpfung von Arbeitnehmern (einschließlich Ihrer Führungskräfte) zurückzuführen sein. Dabei ist das Thema der psychomentalen Arbeitsbelastung inzwischen recht gut erforscht und sollte nicht erst dann angegangen werden, wenn für Krankenkassen, Sozialversicherungen usw. durch psychomentale Fehlbelastungen verursachte Kosten zu hoch werden.

Antwort des Bundestages (Petitionsausschuss):

Betrieblicher Arbeitsschutz
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 25.02.2010 abschließend beraten und beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.
Begründung
Der Petent fordert, den tatsächlichen Grad des Einbezugs psychischer Belastungen in die Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes in deutschen Unternehmen durch entsprechende Dienste oder Beauftragte des Bundestages feststellen zu lassen und im Fall einer mangelhaften Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes und vergleichbarer Gesetze und Vorschriften die personelle Situation der Aufsichtsbehörden so zu verbessern, dass sie ihrer Aufsichtspflicht auch praktisch nachkommen können.
Zur Begründung führt der Petent im Wesentlichen an, dass bisher nur ein kleiner Teil der Unternehmen in Deutschland seinen Verpflichtungen nachkäme, psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Petitionsausschusses eingestellt. Sie wurde von 364 Mitzeichnern unterstützt. Außerdem gingen acht Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat zu der Eingabe eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) eingeholt. Darin führt das BMAS im Wesentlichen aus, dass es die Auffassung des Petenten teile, dass das Thema Psychischen Belastungen unabdingbarer Bestandteil des Arbeitsschutzes sei. Dem BMAS sei auch die Bedeutung des Themas bekannt. Die Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung der psychischen Komponente bei der Gefährdungsbeurteilung werde daher grundsätzlich unterstützt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Petenten eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
In seiner parlamentarischen Prüfung kommt der Petitionsausschuss zu folgendem Ergebnis:
Der Begriff “Psychische Belastungen” ist in der DIN EN ISO 10075 definiert als “die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch (seelisch) auf ihn einwirken”.
Mit “psychischen Fehlbelastungen” sind dagegen Anforderungen und Belastungen gemeint, die in ihrer Ausprägung bei Beschäftigten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Berufliche Anforderungen können eine Herausforderung darstellen und bei erfolgreicher Bewältigung zu Arbeitszufriedenheit führen. Unstreitig können psychische Fehlbelastungen in der Arbeitswelt zu gesundheitlichen Problemen bei den Beschäftigten und zu krankheitsbedingten Folgekosten in erheblichem Ausmaß führen.
Im Rahmen einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) über Kosten arbeitsbedingter Erkrankungen wurden die gesamt- wirtschaftlichen Kosten für psychische Belastungsfolgen in Deutschland im Jahr 1998 auf 11,1 Mrd. Euro direkte und 26,2 Mrd. Euro indirekte Kosten geschätzt. Für das Jahr 2004 ergibt sich eine Schätzung von 18,6 Mrd. Euro bzw. 25,3 Mrd. Euro Kosten.
Die vorläufigen Ergebnisse des aktuellen BAuA-Forschungsprojekts “Aufarbeitung Gefährdungsbeurteilung bei Umsetzung der zur Erfahrungen betrieblicher psychischen Belastungen” lassen Tendenzen hinsichtlich des tatsächliche Umsetzungsgrades der Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) zu den psychischen Fehlbelastungen erkennen. Eine im Rahmen dieses Projektes durchgeführte Befragung von Betriebsräten in der metallverarbeitenden Industrie Baden-Württembergs hat ergeben, dass 87 % der Betriebe eine Gefährdungs- beurteilung vorweisen konnten, allerdings nur 33 % der Betriebe unter Berücksichtigung der psychischen Fehlbelastungen.
Dem Ziel der stärkeren Berücksichtigung der psychischen Komponente der Gefährdungsbeurteilung dienen die Aktivitäten des Bundes im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA). Die GDA beinhaltet das abgestimmte Vorgehen von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern (UVT) im Arbeitsschutz durch die Vereinbarung von gemeinsamen Zielen und die Verfolgung kooperativer Strategien und Aufsichtsverfahren. Für die Handlungsperiode 2008 2012 wurde der Komplex “Psychische Belastungen” in das Arbeitsprogramm der GDA mit aufgenommen. Die Zieldefinitionen enthalten in mehreren Projekten die psychischen Fehlbelastungen als Querschnittsziele und verdeutlichen so deren hohen Stellenwert. Überdies nimmt das Thema auch im Rahmen der von der Bundesregierung im Jahre 2001 ins Leben gerufenen “Initiative Neue Qualität der Arbeit” (INQA) breiten Raum ein. So gibt es verschiedene Publikationen, die sich dem Thema widmen und den betrieblichen Akteuren Wissen vermitteln und praktische Handlungshilfen an die Hand geben.
Hinsichtlich des Anliegens, die personelle Situation der Aufsichtsbehörden zu verbessern, ist festzuhalten, dass der Vollzug des staatlichen Arbeitsschutzrechts grundsätzlich Sache der Bundesländer ist. Der Aufbau und die Organisation der Arbeitsschutzbehörden liegen in der Verantwortung der Länder. Es ist nicht Aufgabe des Bundes, den Ländern z. B. hinsichtlich der Anzahl der Aufsichtsbeamten oder der Einzelheiten der Verwaltungsorganisation Vorgaben zu machen.
Auch der tatsächliche Umsetzungsgrad der Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) hinsichtlich psychischer Fehlbelastungen kann letztlich nur von den für die Überwachung des Arbeitsschutzes zuständigen Instanzen eingeschätzt werden. Dies sind die Arbeitsschutzbehörden der Länder und die UVT. Den UVT steht bei der Erfüllung des gesetzlichen Auftrages der Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren “mit allen geeigneten Mitteln” im Rahmen der Selbstverwaltung ein weiter Ermessens- und Gestaltungsspielraum zu.
Auf der Ebene der Bundesländer und damit der Arbeitsschutzbehörden ist der Handlungsbedarf hinsichtlich der Berücksichtigung der psychischen Komponente der Gefährdungsbeurteilung erkannt. Die Länder führen Schulungen und Schwerpunktaktionen zu psychischen Belastungen in verschiedenen Branchen durch. Vom Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik wurde ein Leitfaden zur besseren Berücksichtigung psychischer Belastungen in der Arbeitsschutz-Revision erarbeitet. [Die LV 52 vom Oktober 2009 war allerdings noch nicht veröffentlicht, als ich die Petition im Januar 2009 abschickte.] Weitere Aktivitäten sind die Qualifizierung der Aufsichtspersonen, die Erstellung von Verfahrensanweisungen und Unterrichtsmodulen. Mit diesen umfassenden Maßnahmen werden den Aufsichtsbeamten das nötige Wissen und die methodischen Kenntnisse zur stärkeren Berücksichtigung der psychischen Aspekte bei ihrer Tätigkeit vermittelt. Auch die UVT haben sich des Themas angenommen. So ist beim Institut Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (BGAG) ein Bereich eingerichtet, der zum Thema “Psychische Belastungen und Beanspruchungen am Arbeitsplatz” forscht und berät.
Mit den aufgezeigten Aktivitäten der Akteure des staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzes sind wichtige Weichenstellungen getroffen worden, das Thema auch in den Betrieben weiter voranzubringen und die Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiter für das Themenfeld zu sensibilisieren. Damit wird die stärkere Einbeziehung psychischer Fehlbelastungen bei der Gefährdungsbeurteilung weiter unterstützt und gefördert sowie dem Thema die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet.
Der Petitionsausschuss hat das Vorbringen des Petenten geprüft. Er hält die geltende Rechtslage zum Arbeitsschutz insbesondere hinsichtlich der Zuständigkeit der Bundesländer und selbstverwalteten gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand – für sachgerecht.
Da die Petition nach Auffassung des Ausschusses keine wesentlichen neue Aspekte enthält, die nicht bereits bekannt sind, sieht er davon ab, sie den Landesvolksvertretungen und den selbstverwalteten gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand als Material für weitere Beratungen zuzuleiten.
Der Petitionsausschuss empfiehlt, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen des Petenten nicht entsprochen werden konnte.

(Anmerkung in eckigen Klammern, Links und Hervorhebungen nachträglich eingefügt)
Links: