Arbeitsschutz und menschengerechte Arbeitsgestaltung

Arbeitsschutz
Das Arbeitsschutzgesetz dient dazu, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern. Maßnahmen des Arbeitsschutzes im Sinne dieses Gesetzes sind Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen bei der Arbeit und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren einschließlich Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen. Individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen. Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluß der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen. Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf der Arbeitgeber nicht den Beschäftigten auferlegen.
Die DIN SPEC 91020 versucht, Arbeitsschutz als Abwehr von Unfallgefahren und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie als Schutz vor arbeitsbedingten Verletzungen (Arbeitsunfällen) und arbeitsbedingten Erkrankungen (Berufskrankheiten und andere arbeitsbedingte Erkrankungen) darzustellen.
Angelehnt an OHSAS 18001:2007 ist Arbeitsschutz jedoch die Abwehr von arbeitsbezogenen Ereignissen, die eine Verletzung oder Erkrankung (ohne Berücksichtigung der Schwere) oder einen tödlichen Unfall zur Folge haben oder hätten zur Folge haben können. Dabei gelten Erkrankungen als erkennbare, nachteilige physische oder mentale Zustände, die durch eine Arbeitstätigkeit und/oder durch eine Arbeitssituation entstanden sind und/oder verschlechtert wurden.
 
Menschengerechte Arbeitsgestaltung
Der private Standard DIN SPEC 91020 ist in einem PAS-Verfahren entstanden. Darum fehlen ihm nach den Regeln des DIN-Institutes die Voraussetzungen, die für einen Arbeitsschutzstandard erfüllt werden müssten. Die privatwirtschaftlich orientierten Autoren versuchen, das Ziel menschengerechter Gestaltung und ständiger Verbesserung der Arbeit so einzuschränken, dass beide insgesamt den körperlichen und geistigen Leistungsvoraussetzungen des Organisationsmitgliedes entsprechen und auf Bewahrung von Leben und Gesundheit in Verbindung mit der Berufsarbeit abzielen. Schleichen sich da individuelle Leistungsfähigkeitsmessungen (z.B. orientiert an der ISO 10667) als Instrument des Arbeitsschutzes ein?
Vergleichen Sie das einmal mit dem, was die BAuA angelehnt an die ISO 10075 und ergo-online.de angelehnt an die ISO 9241-2 zur menschengerechten Arbeitsgestaltung schreiben.
Das Arbeitsschutzgesetz kümmert sich in seinem § 28 zur menschengerechten Arbeitsgestaltung eigentlich nur um die Jugend. Hoffentlich wird der Paragraf irgendwann einmal erwachsen, z.B. so: Der Arbeitgeber hat bei der Einrichtung und der Unterhaltung der Arbeitsstätte einschließlich der Maschinen, Werkzeuge und Geräte und bei der Regelung der Beschäftigung die Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen, die zum Schutz der Beschäftigten gegen Gefahren für Leben und Gesundheit sowie zur Vermeidung einer Beeinträchtigung ihrer körperlichen und seelisch-geistigen Verfassung erforderlich sind. Hierbei sind das Sicherheitsbewußtsein und die Erfahrung der Beschäftigten zu berücksichtigen und die allgemein anerkannten sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Regeln sowie die sonstigen gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse zu beachten.

Mitwirkung bei der AMS-Gestaltung

BAuA: Sicherheit und Gesundheit mit System, (2011, 70 Seiten)
http://www.baua.de/de/Publikationen/Broschueren/A35.pdf?__blob=publicationFile&v=9


Auch wenn es im Arbeitsschutz in der Regel nicht üblich ist, für bestimmte Aufgaben ein Projekt zu starten und ein Projektmanagement zu praktizieren: Die Einführung eines AMS scheitert, wenn sie nicht professionell geplant und gemanagt wird. Die im Unternehmen vorhandenen Erfahrungen im Projektmanagement sollten daher genutzt werden.
Das nachfolgend dargestellte Projektmanagement kann als Leitfaden für die Einführung eines AMS auch in anderen Unternehmen verwendet werden (siehe hierzu auch die ausführliche Darstellung „AMS richtig einführen“ in Ritter 2011).
 
Projekt starten
Der Betriebsleiter veranstaltete ein Startmeeting mit allen Führungskräften, Vertretern des Betriebsrates, der Sicherheitsfachkraft, dem Betriebsarzt und dem externen Berater. Es wurde eine Projektgruppe gegründet und mit der Konzeption und Koordination der Einführung eines betriebsspezifischen AMS beauftragt. Der Projektgruppe gehörten als ständige Mitglieder an: der Betriebsleiter, Vertreter des Betriebsrates, die Sicherheitsfachkraft, der externe Berater sowie (nach seiner Ernennung) der AMS-Beauftragte. Bei Bedarf oder Interesse wurden weitere Mitglieder (z. B. der Betriebsarzt) und Gäste eingeladen. Die Projektgruppe traf sich je nach Projektfortschritt ca. alle sechs Wochen bzw. bei Bedarf. Sie hatte folgende Aufgaben:

  • Festlegung einer geeigneten Projektorganisation,
  • Gründung und Beauftragung von Arbeitsgruppen,
  • Steuerung der Entwicklung des betriebsspezifischen AMS-Konzeptes,
  • Diskussion, Abstimmung und Inkraftsetzung der von den Arbeitsgruppen entwickelten Festlegungen (AMS-Struktur, AMS-Elemente etc.),
  • Information der Belegschaft,
  • Bewertung des Projektfortschrittes sowie
  • Korrektur der Vorgehensweise, Festlegungen etc. bei Bedarf.

Siehe auch: LV 54

Amtliches zum AMS

http://blog.psybel.de/lasi-veroeffentlichungen/ führt zu verschiedenen amtlichen Veröffentlichungen zum Arbeitsschutzthema “psychischen Belastungen”. Im Kommentar zur LV 52 habe ich jetzt noch auf ein Beispiel für die Anwendung von Arbeitsschutzmanagementsystemen (AMS) hingewiesen: Eine Broschüre der BAuA mit dem Titel Sicherheit und Gesundheit mit System (2011, 70 Seiten).

Gefährdungsbeurteilung bei psychischen Belastungen

http://www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/artikel28.html

Im Artikel werden aktuelle Studien zur Verbreitung der Gefährdungsbeurteilung bei psychischen Belastungen sowie zu hemmenden und fördernden Bedingungen ihrer Umsetzung im Betrieb referiert. Die Studien zeigen, dass nur eine Minderheit der Betriebe, die Gefährdungsbeurteilungen umsetzen, dabei auch psychische Belastungen berücksichtigen. Unter Bezugnahme auf die verfügbaren Studien zu hemmenden und fördernden Bedingungen werden Empfehlungen für eine breitere Umsetzung in der betrieblichen Praxis formuliert.
Dieser Artikel ist in der Zeitschrift “Prävention und Gesundheitsförderung” (2012, Volume 7, Number 2, Seiten 115-119) im Springer-Verlag erschienen.
D. Beck, G. Richter, M. Ertel, M. Morschhäuser:
Gefährdungsbeurteilung bei psychischen Belastungen in Deutschland. Verbreitung, hemmende und fördernde Bedingungen
2012. PDF-Datei

Aus dem Artikel:

Befragt zu den Faktoren, die den Umgang mit psychosozialen Risiken besonders erschweren, wurden von den Führungskräften aus Deutschland am häufigsten die Brisanz des Themas (59%), fehlendes Wissen/Qualifikationen (55%), fehlende Zeit- und Personalressourcen (54%) sowie mangelndes Problembewusstsein (51%) genannt.
[Quelle: European Agency for Safety and Health at Work (2010) European Survey of Enterprises an New and Emerging Risks. Managing safety and health at work. European Agency for Safety and Health at Work, Bilbao]

.
Siehe auch:

ILO-OSH und AMS

Update 2014-08-25

 


2012-08-18
Links zur Anwendung von ILO-OSH für Arbeitsschutzmanagementsysteme (AMS)

Es gibt auch Zusammenhänge zwischen OHSAS 18001 und ILO-OSH. Siehe dazu die Anhänge B.3 und B.4 in OHSAS 18002:2008.

Versteht die BAuA den WAI nicht mehr?

Verhaltensbeurteilung: Mit dem Arbeitsbewältigungsindex (ABI, Work Ability Index – WAI) soll die individuelle Arbeitsfähigkeit einer Person in einer bestimmten Tätigkeit bewertet werden. Er ist als arbeitsmedizinische Messinstrument zur Bestimmung eines optimalen und gerechten Pensionierungszeitpunktes entwickelt worden.
Verhältnisbeurteilung: Sie ist im Arbeitsschutz die Grundlage der Primärprävention. Für die gesetzlich geforderte Analyse von Arbeitsplätzen (Arbeitsbedingungen usw.) gibt es geeignetere Instrumente zur Erfassung psychischer Belastungen, die nicht erst umgebaut werden müssen, damit man sie für die Verhältnisprävention verwenden kann. Der WAI ist nicht für die Verhältnisbeurteilung geschaffen worden.
Warum bewerben BAuA ind INQA den WAI so intensiv – und dazu noch mit einem irreführenden Text?
http://www.inqa.de/DE/Lernen-Gute-Praxis/Publikationen/why-wai.html (Seite nicht mehr verfügbar)

Unbestritten ist, dass durch verhaltens- und verhältnispräventive Maßnahmen die Voraussetzungen für ein längeres Verbleiben von mehr Erwerbstätigen in Beschäftigung geschaffen werden können – und müssen. Denn abgesehen von dem persönlichen Leid und dem Verlust an Lebensqualität, die sich hinter jedem Einzelfall verbergen – leisten können wir uns diese Verschwendung von Wissen, Erfahrungen und Kenntnissen bereits jetzt nicht mehr – und künftig noch viel weniger. Vor diesem Hintergrund ist der Work Abilitiy Index (WAI) ein sinnvolles Instrument, da mit seiner Hilfe sowohl die aktuelle als auch die künftige Arbeitsfähigkeit von älter werdenden Beschäftigten erfasst und bewertet werden kann. Ausgehend vom WAI können konkrete Maßnahmen zum Erhalt und zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit eingeleitet werden.
Darum fördern INQA und die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) die Anwendung und Verbreitung des WAI. Ausdruck dieser Förderung ist das auf Initiative der BAuA und in Kooperation mit der Bergischen Universität Wuppertal gebildete nationale WAI-Netzwerk. …

(Hervorhebungen nachträglich eingefügt)
Irreführend ist der Text, weil in ihm der WAI sowohl mit Verhältnisprävention wie auch mit Verhaltensprävention so verknüpft wird, dass der Eindruck entstehen könnte, der WAI sei für beide Präventionsarten geeignet. Das WAI-Netzwerk versucht ja auch mit beachtlichem Publikationsaufwand, diesen Eindruck zu erwecken.
Aus Sicht des Arbeitsschutzes ist unbestritten, dass verhältnispräventive Maßnahmen (mit den entsprechenden Erhebungsinstrumenten) Pflicht sind, verhaltenspräventive Maßnahmen sind dagegen eine freiwillige Übung. Unbestritten ist außerdem, dass der WAI kein Instrument der Verhältnisprävention ist. Wer hat es geschafft, die trickreiche Irreführung in die BAuA/INQA einzuschmuggeln? Diese Art von verwirrender Werbung scheint wohl eine der Aufgaben der WAI-“Netzwerkarbeit” zu sein.
 
Die BAuA beschreibt den WAI an einer derzeit noch weniger von Lobbyarbeit verseuchter Stelle richtig:
http://www.baua.de/de/Informationen-fuer-die-Praxis/Handlungshilfen-und-Praxisbeispiele/Toolbox/Verfahren/WAI.html

Gestaltungsbezug: Quantitative Verfahren der Verhaltensprävention
Jahr: 1998
Quintessenz: Der Work Ability Index (WAI) ist ein Instrument zur Erfassung der Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten. Er wird auch als Arbeitsfähigkeitsindex oder Arbeitsbewältigungsindex (ABI) bezeichnet. Es handelt sich um einen Fragebogen, der entweder von den Befragten selbst oder von Dritten, z. B. von Betriebsärzten/innen bei der betriebsärztlichen Untersuchung beantwortet wird. Ziel der Anwendung in Betrieben ist die Förderung der Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten.
Der WAI kann angewendet werden
1. im Rahmen der betriebsärztlichen Betreuung,
2. im Rahmen der Betriebsepidemiologie (Querschnitt- und Längsschnittuntersuchungen),
3. im wissenschaftlichen Bereich und
4. zur Evaluierung von Maßnahmen der individuellen und betrieblichen Gesundheitsförderung.
Der Fragebogen ist in den 80er Jahren von finnischen Arbeitswissenschaftlern entwickelt worden. Seither wurde er in 21 Sprachen übersetzt.
Ziel(e): Individualprävention
Methode(n) der Datengewinnung: schriftliche Befragung, mündliche Befragung
Merkmalbereich(e): z. B. momentane und zukünftige Arbeitsfähigkeit, Anforderungsbewältigung

(Hervorhebungen und Kursivsatz nachträglich eingefügt)
Hier werden die Anwendungsgrenzen des WAI klar. Wie ist es gelungen, an anderer Stelle die BAuA und die INQA so für den WAI zu begeistern und dort Desinformation zu plazieren? Arbeitgeber zeigen an der Bewertung der individuellen Arbeitsfähigkeit (ISO 10667) ein größeres Interesse als an der Beurteilung der arbeitsplatzbezogenen psychischen Belastung (ISO 10075). So wie Wissenschaft heute von der Wirtschaft “gefördert” wird, hat die Netzwerkerei für den WAI ein unangenehmes Geschmäckle.
 
http://www.inqa.de/SharedDocs/PDFs/DE/Publikationen/why-wai.pdf?__blob=publicationFile,
Why WAI? – Der Work Ability Index im Einsatz für Arbeitsfähigkeit und Prävention – Erfahrungsberichte aus der Praxis.
(4., aktualisierte Auflage, Oktober 2011), S. 131:

… Individuelle Betrachtung der Arbeitsfähigkeit:
der ABI-Dialog / das WAI-Gespräch
Nach Auswahl und Festlegung der WAI-Fragen etablierte sich das Instrument in der betriebsärztlichen Arbeit – wiederum zuerst in Finnland, dann auch im deutschsprachigen Raum. Ausschlaggebend dafür war die Prognosekraft des WAI: Schon mit wenigen Fragen lässt sich frühzeitig erkennen, bei welchen Beschäftigten die Arbeitsfähigkeit gefährdet ist und wie dringend Präventionsmaßnahmen sind. Es zeigte sich, dass die Durchführung als Interview durch die Betriebsärztin bzw. den Betriebsarzt in mehrfacher Sicht sinnvoll ist: Ein doppeltes Abfragen von Krankheiten (im WAI und in der betriebsärztlichen Anamnese) lässt sich so vermeiden, zugleich ermöglichen die Fragen einen guten Gesprächseinstieg in den Themenkomplex ›Arbeit, Alter und Gesundheit‹. So wird aus dem Diagnoseinstrument ein Interventionsinstrument: der ABI-Dialog, der auch als WAI-Gespräch bezeichnet wird. Die Durchführung dieses Dialogs erfordert betriebsärztliche oder arbeitspsychologische Kompetenz. Wird der ABI-Dialog nicht von Medizinern durchgeführt, kommt in der Regel die WAI-Kurzversion (mit kurzer Krankheitsliste) zum Einsatz. …

WAI-Kurzversion mit kurzer Krankheitsliste, genutzt von Nicht-Medizinern? Da gibt es dann keine ärztliche Schweigepflicht mehr. So beginnt, was ich “fürsorgliche Belagerung der Mitarbeiter” nenne. Der WAI hat vielleicht seine Berechtigung in der betriebsärztlichen Anamnese, ist aber kein Instrument des Arbeitsschutzes. Darüber hinaus soll er sogar im individuellen “Coaching” (und darum letztendlich auch für die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung) verwendet werden. Kompetente Betriebs- und Personalräte werden den WAI nicht als Instrument des Arbeitsschutzes zulassen, sondern die Verwendung direkt für den Arbeitsschutz geeigneter Instrumente durchsetzen.
 
http://www.gesundheitsfoerderung.ch/pdf_doc_xls/d/betriebliche_gesundheitsfoerderung/programme_projekte/A4_Broschuere_Arbeit_Alter_d.pdf
Arbeit und Alter – Grundlagen zur Bewältigung der demografischen Herausforderung in Betrieben,
Ralph M. Steinmann, 2008, Gesundheitsförderung Schweiz, Bern und Lausanne.

… Work Ability Index (WAI)
Dieses inzwischen in vielen Ländern erfolgreich getestete und eingesetzte arbeitsmedizinische Messinstrument zielt darauf, Gesundheitsgefährdungen der Beschäftigten und Risiken der Frühverrentung frühzeitig zu erkennen und diesen entgegenzuwirken. Es ist zwecks Bestimmung eines optimalen und gerechten Pensionierungszeitpunktes entwickelt worden. Ausgehend von den Selbsteinschätzungen der Mitarbeitenden wird von einer arbeitsmedizinischen Fachperson untersucht, ob zukünftig Einschränkungen ihrer Arbeitsfähigkeit drohen und welcher Handlungsbedarf besteht, um die Gesundheit der Befragten über den Erwerbsverlauf zu fördern. Die Fragen betreffen

  • die aktuelle und zukünftige Arbeitsfähigkeit,
  • Krankheiten und
  • die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage im vergangenen Jahr,
  • die geschätzte krankheitsbedingte Beeinträchtigung der Arbeitsleistung sowie
  • psychische Leistungsreserven.

Aufgrund der Ergebnisse kann gemeinsam überlegt werden, was die Arbeitskraft selber und was das Unternehmen tun kann, um die Arbeitsfähigkeit zu erhalten und zu fördern. Für unterschiedliche Berufsgruppen und Altersklassen liegen inzwischen Durchschnittswerte als Richtwerte vor, die einen betriebsübergreifenden Vergleich erlauben. …

(Hervorhebungen nachträglich eingefügt, Layoutänderungen nachträglich vorgenommen)
 
Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH
an der Deutschen Sporthochschule Köln
Autoren des Beitrags: IQPR Maike Bohnes, Annette Röhrig
http://www.assessment-info.de/assessment/seiten/datenbank/vollanzeige/vollanzeige-de.asp?vid=436

ABI, WAI, Arbeitsbewältigungsindex, Work Ability Index

Erfassung der Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten
Dimensionen / Analyseeinheiten:
Der WAI besteht aus 7 Dimensionen:
1. Derzeitige Arbeitsfähigkeit im Vergleich zu der besten, je erreichten Arbeitsfähigkeit
(Wenn sie Ihre beste, je erreichte Arbeitsfähigkeit mit 10 Punkten bewerten: Wie viele Punkte würden sie dann für ihre derzeitige Arbeitsfähigkeit geben?)
2. Arbeitsfähigkeit in Relation zu den Arbeitsanforderungen
(Wie schätzen sie ihre derzeitige Arbeitsfähigkeit in Relation zu den körperlichen oder psychischen Arbeitsanforderungen ein?)
3. Anzahl der aktuellen vom Arzt diagnostizierten Krankheiten
(Langversion = 50, Kurzversion = 13 Krankheiten / Krankheitsgruppen)
4. Geschätze Beeinträchtigung der Arbeitsleistung durch die Krankheiten
(Behindert sie derzeit eine Erkrankung oder Verletzung bei der Ausübung ihrer Arbeit?)
5. Krankenstandstage im vergangenen Jahr
(Wie viele ganze Tage blieben Sie auf Grund eines gesundheitlichen Problems (Krankheit, Gesundheitsvorsorge oder Untersuchung) im letzten Jahr (12 Monate) der Arbeit fern?)
6. Einschätzung der eigenen Arbeitsfähigkeit in zwei Jahren
(Glauben sie, dass sie, ausgehend von ihrem jetzigen Gesundheitszustand, Ihre derzeitige Arbeit auch in den nächsten zwei Jahren ausüben können?)
7. Psychische Leistungsreserven / mentale Ressourcen
(Haben sie in der letzten Zeit ihre Aufgaben mit Freude erledigt?
Waren sie in der letzten Zeit aktiv und rege?
Waren sie in der letzten Zeit zuversichtlich, was die Zukunft betrifft?)
Gesamtzahl der Items: 10
Erhebungs- / Analysemethoden: Selbsteinschätzung; Fragebogen;
Frage- und Antwortformate / Beurteilungsskalen: Die sieben Dimensionen des ABI werden über das Ankreuzen einer Anwort bzw. einer Zahl aus den vorgegebenen Antwortformaten bewertet. Die angekreuzten Antworten bzw. Zahlen werden in Zahlen übertragen bzw. übernommen und ergeben einen Gesamtpunktwert zwischen 7 und 49. Der so erzielte Gesamtwert liefert eine Aussage zu der Eigeneinschätzung der Arbeitsfähigkeit. Der Einschätzung sollten beschriebene Interventionen folgen.
Punkte Arbeitsfähigkeit Ziel
7-27 schlecht Arbeitsfähigkeit wiederherstellen
8-36 mittelmäßig Arbeitsfähigkeit verbessern
37-43 gut Arbeitsfähigkeit unterstützen
44-49 sehr gut Arbeitsfähigkeit erhalten
Aufbau: Kurz- und Langform vorhanden ;
Die Kurzversion des ABI unterscheidet sich von der Ursprungsform in der Anzahl der abgefragten Krankheiten/Krankheitsgruppen; statt 50 werden in der Kurzform 13 Krankheiten/Krankheitsgruppen erfragt. …

 
Ohne eine bereits mitbestimmt zustandegekommene und etablierte Verhältnisprävention können Maßnahmen der Verhaltensprävention zu einer Gefahr für die Mitarbeiter werden.
 
Links (2013):

Tacheles von der psyGA

http://psyga-transfer.de/wissen/handlungsfelder/belastungen-vermeiden/

… Bezogen auf die Arbeitsaufgaben kommt der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen besondere Bedeutung zu. Leider führen, trotz gesetzlicher Vorgabe (siehe Gesetzlicher Rahmen), gemäß Betriebsrätebefragungen (WSI-Betriebsrätebefragung 2008/2009, Hans Böckler Stiftung 2009), nur eine Minderheit der Betriebe Gefährdungsbeurteilungen durch bzw. dabei werden nur von einem Bruchteil psychische Belastungen berücksichtigt. …

psyGA = Projekt zur Förderung der psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt
Die Projektleitung von psyGA-transfer liegt beim BKK Bundesverband. Hier gibt es endlich einmal klare Aussagen von so einem Verband zu gesetzlichen Vorgaben und zu den Pflichtverletzungen der Unternehmen.
Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA). psyGA-transfer wird fachlich begleitet durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Projektträger ist die Gesellschaft für soziale Unternehmensberatung mbH (gsub).
Siehe auch: http://www.arbeitstattstress.de/2012/06/schon-wieder-ein-portal-psyga-transfer/

Mehr Eigenverantwortung der Beschäftigten

http://www.gutearbeit-online.de/archiv/beitraege/2009/2009_08_05_07.pdf

Arbeitgeber gegen „Neue Kultur der Arbeit“ 
Eine neue Kultur der Arbeit ist nicht erforderlich, es gibt sie schon. Im Grunde ist die Arbeitswelt völlig in Ordnung, was fehlt, ist lediglich mehr Eigenverantwortung der Beschäftigten. Mit dieser Herangehensweise haben Arbeitgeberverbände nicht nur erwartungsgemäß die Initiativen der Gewerkschaften für Gute Arbeit angegriffen, sondern auch dem gerade erst gestarteten Projekt des Bundesarbeitsministeriums für eine Neue Kultur der Arbeit in der vorgeschlagenen Form eine deutliche Absage erteilt. …

… Die vom BMAS gewählte Bezeichnung „Neue Kultur der Arbeit“ wurde von der BDA rundweg abgelehnt. Sie impliziere eine Kritik an der jetzt schon bestehenden „Kultur der Arbeit“, die nicht akzeptiert werden könne. „Menschenwürdige und menschengerechte Arbeitsbedingungen“ seien in Deutschland eine „Selbstverständlichkeit“, das Arbeitsschutzniveau sei hoch und liege „europaweit über dem Durchschnitt“. Als alternativen Titel schlug die BDA vor: „Für eine moderne Kultur der Arbeit – gemeinsam Arbeits-und Beschäftigungsfähigkeit sichern“. Weiter bestehende „Beschäftigungshemmnisse“ müssten beseitigt werden; dazu wird z.B. eine Fortsetzung der vergangenen Arbeitsmarkt-„Reformen“ angemahnt. Sie dürften nicht „verwässert oder rückgängig gemacht“ werden. …

… Eine auch nur vorsichtige Kritik der Kurzfristökonomie, die die Finanz-und Wirtschaftskrise maßgeblich verursacht hat, wird ebenfalls zurückgewiesen. Die BDA verlangt, den vom BMAS vorgeschlagenen Satz „Mit einer kurzfristig ausgerichteten Wettbewerbstrategie werden Unternehmen den neuen Herausforderungen immer weniger gerecht“ zu streichen. Der Satz enthalte eine „unangebrachte, verallgemeinerte Kritik an den Unternehmen“. …

Beschäftigte sollen mehr „Eigenverantwortung“ zeigen
Eine „moderne Kultur der Arbeit“, wie die Arbeitgeber sie sehen, liegt nach Auffassung der BDA „in der Verantwortung aller“, „insbesondere der Beschäftigten“. Diese „Eigenverantwortung“ der Beschäftigten wird im BDA-Papier in vielen Zusammenhängen immer wieder nachdrücklich hervorgehoben. „Eigenverantwortung“ ist ein neoliberales Lieblingsschlagwort – gemeint ist immer die Verantwortung der anderen, in diesem Fall der Beschäftigten. Der Grundgedanke des Arbeitsschutzgesetzes, dass nämlich der Arbeitgeber die Letztverantwortung dafür trägt, dass die Beschäftigten unter Bedingungen arbeiten, die ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden nicht beeinträchtigen, ist hier völlig aus dem Blickfeld.
So müssten die Arbeitnehmer „verstärkt Eigenverantwortung und -initiative in der beruflichen Weiterbildung übernehmen“, diese also offenbar in ihrer Freizeit und auf eigene Kosten absolvieren, weil sie selbst ja auch von ihr profitierten. Auch für den Erhalt ihrer „Arbeits-und Beschäftigungsfähigkeit“ sollen sie „Eigenverantwortung“ übernehmen. Sie sollen z.B. „selbst ihr Möglichstes tun, um ihre Arbeits-und Beschäftigungsfähigkeit bis zur Rente zu erhalten“. Auch die betriebliche Gesundheitsförderung soll dazu beitragen, die „Eigenverantwortung“ zu stärken. „Bei der Gesunderhaltung“, so heißt es im BDA-Papier weiter, „kommt es in erster Linie auf die Eigenverantwortung und die Bereitschaft des Einzelnen zur Mitwirkung an“. Bisherige Regelungen, die den Beschäftigten ein sozialverträgliches früheres Ausscheiden aus dem Arbeitsleben ermöglichen, sind so gesehen „Fehlanreize“, die diese Eigenverantwortung behindern. Selbst wenn man dem allem zustimmen würde, bliebe doch immer noch die Frage, welchen konkreten Beitrag die Arbeitgeber denn zur Gesunderhaltung der Beschäftigten zu leisten gedenken: Außer der Beteuerung, dass ja schon alles getan werde, findet sich dazu aber kein einziger Gedanke. An einigen Stellen wird lediglich auch an die Verantwortung der Politik erinnert. Die Verantwortung der Arbeitgeber selbst kommt nicht vor. …


Arbeitgeber nicht zur Prävention verpflichtet?
Schließlich wird noch fälschlich die betriebliche Gesundheitsförderung mit Prävention gleichgesetzt. Betriebliche Gesundheitsförderung sei eine freiwillige Maßnahme der Betriebe. Weiter heißt es dann: „Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und darf deshalb nicht zur Pflicht der Arbeitgeber umgemünzt werden.“ …

Werden Arbeitgeber Arbeitgeber, dann übernehmen sie damit die Veraltwortung für die im Arbeitsschutz vorgeschriebene Verhältnisprävention. Der letzten Absatz zeigt jedoch, wie die BDA den seit etwa 2005 eindeutig pflichtverletzenden Umgang von etwa 70% der Arbeitgeber mit dem Arbeitsschutz zur Norm erklären möchte. Der Trick der BDA geht aber noch ein bisschen weiter: Sie sieht die Prävention als gesellschaftliche Aufgabe. Darin bettet sie auch die “Betriebliche Gesundheitsförderung” ein. Und die ist tatsächlich eine freiwillige Leistung der Arbeitgeber. Arbeitgeber können solche Leistungen natürlich viel leichter einstellen oder zurücknehmen, wenn die Arbeitnehmer sich “einmischen”. “Mitbeteiligung” oder “Einbezug des Betriebsrates” finden Arbeitgeber akzeptabel, “Mitbestimmung” mögen sie nicht so sehr. Forderungen der Vertreter der Arbeitnehmer, beim Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz mitzubestimmen, können sie nicht so einfach mit der Rücknahme vorgeschriebener Leistungen abwehren. Das sollte hier eigentlich die Mitbestimmung sichern.
Die Strategie der Arbeitgeber ist nun, auch den vorgeschriebenen Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz in die freiwillige Gesundheitsförderung einzubauen. Bei Unternehmen, die verantwortlich handeln, ist das durchaus sinnvoll. Jedoch bei Unternehmen, in denen wichtige Regeln des Arbeitsschutzes bisher schon beharrlich missachtet wurden, könnte nun versucht werden, zwei Fliegen mit einer Klappe zu erschlagen – wenn der Betriebsrat nicht sehr kompetent und durchsetzungsfähig ist:

  • Die Verhältnispravention kann gegenüber der Verhaltensprävention leichter marginalisiert werden.
  • Die Grenzen zwischen freiwilligen und vorgeschriebenen Leistungen werden unscharfer, was wiederum die Mitbestimmung erschwert. Auf diese Weise kann die Mitbestimmung elegant behindert werden, ohne dass daraus eine Straftat wird.

Die Gesundheitsförderung wird dabei den Mitarbeitern als ein Angebot verkauft, das sie “eigenverantwortlich”, “erwachsen” und “selbstbestimmt” annehmen können – oder auch nicht. Man kann die Leute ja nicht zu ihrem Glück zwingen. Viele Arbeitgeber, die (leider auch unter den Augen der Gewerbeaufsichten, Berufsgenossenschaften und Krankenversicherungen) ihrer eigenen Verantwortung zum Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz seit vielen Jahren nachhaltig nicht gerecht wurden, könnten nun mit einer Strategie zur Vermeidung eigener Verantwortung und Haftung versuchen, die Gesundheitförderung zur Holschuld der Mitarbeiter zu machen. Wenn die Mitarbeiter diese Angebote nicht eigenverantwortlich nutzen, dann sind die Mitarbeiter daran selbst schuld.
Dazu passt, dass Topmanager ihre Spitzengehälter vorwiegend mit dem rechtfertigen, “was der Markt will”. Dann müssen solche Einkommen nicht mehr mit hoher Verantwortung begründet werden.
 
Links:

 

Präventive Arbeitsgestaltungunter Nutzung von §§ 90, 91 BetrVG

http://www.inqa.de/DE/Mitmachen-Die-Initiative/Foerderprojekte/Projektdatenbank/praeventive-arbeitsgestaltung.html (PDF jetzt in http://www.inqa.de/SharedDocs/PDFs/DE/Projekte/praeventive-arbeitsgestaltung.pdf), Uwe Dechmann, Sozialforschungsstelle Dortmund:

Seit den 70er Jahren gibt es den gesetzlich verankerten gemeinsamen Auftrag für Arbeitgeber und Betriebsrat, arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit bei der Planung und Korrektur von Gestaltungsmaßnahmen zu berücksichtigen.
Ziel des Projektes war es, die widersprüchlichen Erfahrungen mit diesem Auftrag des Betriebsverfassungsgesetzes (§§ 90 und 91 BetrVG) aufzuarbeiten. Es galt vor allem, die seinerzeitigen Hemmnisse der Kooperation zwischen interdisziplinärer Arbeitswissenschaft und betrieblichen Praxis sowie zwischen den Tarif- und Betriebsparteien herauszuarbeiten und hinsichtlich ihrer gegenwärtigen Geltung abzuprüfen. Eine kritische Aufbereitung dieser Erfahrungen und der Möglichkeiten ihrer heutigen Anwendung soll zur Förderung einer partizipativen Unternehmenskultur beitragen.
Das Projekt gliederte sich in folgende Arbeitspakete:

  • AP 1: Curriculare Bestandsaufnahme des Lehrganges “Menschengerechte Arbeitsgestaltung” des IGM Bildungszentrums Sprockhövel aus den 80iger Jahren sowie der entsprechenden Arbeitshilfen der IGM
  • AP 2: Aufarbeitung und Diskurs um die Anwendung der §§ 90, 91 BetrVG (“gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse”) in den siebziger/ achtziger Jahren hinsichtlich ihrer hemmenden und fördernden Bedingungen
  • AP 3: Menschengerechte Arbeitsgestaltung in der Produktion – arbeitsrechtliche Bewertung und aktuelle Erfahrungen von Betriebsräten und Beschäftigten – Barrieren und Chancen
  • AP 4: Neue Konzepte und Leitbilder der Arbeit: differentielle Teamarbeit und Care
  • AP 5: Modernes Wissensmanagement und Wissenstransfer zwischen Humanisierung und Rationalisierung (Grobkonzept)
  • AP 6: Abschlussbericht mit “Rahmenkonzept Bildungsarbeit”

Das Projekt der Sozialforschungsstelle TU Dortmund wurde in enger Abstimmung und Kooperation mit dem Funktionsbereich Gesundheitsschutz und Arbeitsgestaltung im Vorstand der IG Metall und bezüglich der Bildungsarbeit mit dem Bildungszentrum der IGM Sprockhövel sowie einem interdisziplinären Begleitkreis durchgeführt. Die Laufzeit des Projektes erstreckte sich von August 2009 bis September 2010.