DAkkS-Beschwerdeverfahren

Unser heutiges Arbeitsschutzgesetz trat im Jahr 1996 in Kraft. Es war als Rahmengesetz konzipiert und sollte somit einen Freiraum für betriebsgerechte Lösungen bieten. Eine wichtige Grundlage war die Annahme, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander vereinbaren, wie der Arbeitsschutz in einem Betrieb konkret umgesetzt wird. Insbesondere im Bereich der psychischen Belastungen hat das nicht funktioniert. Es kann immer noch passieren, dass ein Betrieb sein Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) ohne Betriebsrat aufbaut und anschließend externen Auditoren angeblich bereits implementierte Prozesse zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz präsentiert, die die Betriebsleitung unter Umgehung der Mitbestimmung gestaltet hatte.
Wenn unkritische Auditoren trotz dieser strafbaren Missachtung des Betriebsverfassungsgesetzes ein Zertifikat nach OHSAS 18001 erteilen, kann der Arbeitgeber anschließend der immer noch überforderten Gewerbeaufsicht dieses Zertifikat vorlegen. Die Gewerbeaufsicht prüft dann nur “entlastet”. Sie merkt zum Beispiel nicht, dass der Betriebsrat dem AMS nicht zugestimmt hat. Zudem lassen sich unerfahrene Betriebsräte von dem Zertikat (sowie von der vom Zertifikat beeindruckten Gewerbeaufsicht) beeindrucken, obwohl sie ja gar nicht wissen, was der Arbeitgeber den Auditoren erzählt hatte.
Betriebsräte dürfen sich nicht von einem Zertifikat einschüchtern lassen, sondern gerade wenn es von bei der DAkkS akkreditierten Auditoren nach einer Missachtung der Mitbestimmung erteilt wurde, wird es Zeit, sich bei der DAkkS als Aufsicht der Auditoren zu beschweren.

 
Nehmen Sie (z.B. als Mitglied eines Betriebsrates oder eines Personalrates) einmal an, dass Ihre Betriebsleitung bei externen Audits ihres AMS darstelle, dass psychische Belastungen in dem Arbeitsschutz ihres Betriebes ordungsgemäß implementiert seien. Wenn Sie dem nicht zugestimmt haben und die Betriebsleitung trotzdem auf ihrer Position besteht, dann behindert die Betriebsleitung die Mitbestimmung. Rufen sie die Einigungsstelle an.
Damit Betriebs- und Personalräte kompetent mitbestimmen können, haben sie das Recht, sich von einem qualifizierten Sachverständigen ihrer Wahl beraten zu lassen. Die Kosten für solche Sachverständige trägt der Arbeitgeber. Erfahrene Sachverständige können der Arbeitnehmervertretung auch helfen, die Übernahme der Beratungskosten durch den Arbeitgeber bei einer Einigungsstellt oder vor Gericht durchzusetzen.
Erst wenn die Arbeitnehmervertretung zugestimmt hat oder der Spruch einer Einigungsstelle eine fehlende Zustimmung ersetzt hat, kann die psychische Belastung als in den Arbeitsschutz einbezogen dargestellt werden.
Selbst die Gewerbeaufsicht kann ohne vollzogene Mitbestimmung nicht behaupten, psychische Belastungen seien in den Arbeitsschutz eines Betriebes mit einbezogen. Natürlich muss die Arbeitnehmervertretung (oder die Einigungsstelle) das Urteil der Gewerbeaufsicht berücksichtigen. Aber die Gewerbeaufsicht darf nicht entscheiden, dass der Arbeitsschutz in dem Betrieb ausreichend vollständig implementiert sei, wenn die Mitbestimmung behindert wurde. Eine wichtige Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes ist doch, dass es betriebsnah umgesetzt wird. Dass können nur Leute machen, die sich in dem Betrieb auskennen. Darum hat der lokale Betriebsrat oder Personalrat mitzubestimmen.
Wenn die Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertretung im Arbeitsschutz von der Betriebsleitung missachtet wird, dann bricht die Betriebsleitung auch dann gesetzliche Vorschriften, wenn die Gewerbeaufsicht keine Abweichungen festgestellt hat. Darum darf der Betrieb nicht nach OHSAS 18001 zertifiziert werden. Außerdem: Ohne vollzogene Mitbestimmung darf sich die Gewerbeaufsicht nicht von AMS-Zertifikaten “entlastet” fühlen, an deren Zustandekommen der Betriebsrat nicht beteiligt war.
Eine Nachlässigkeit der Gewerbeaufsicht und der externen Auditoren kann man daran erkennen, dass sie sich nicht für eine Überprüfung der Mitbestimmtheit der Gestaltung und Durchführung des Arbeitsschutzes in einem Betrieb interessieren. Bei Audits nach OHSAS 18001 müsste die Mitbestimmung sogar Gegenstand der Audits sein. Auch bei großen Zertifizierungsgesellschaften ist hier Nachlässigkeit und Desinteresse nicht ausgeschlossen. So geht’s halt zu im Zertifizierungsgeschäft.
Sollte einem Betrieb trotz einer Missachtung der Mitbestimmungspflicht von einem bei der DAkkS akkreditierten Zertifikator ein AMS-Zertifikat erteilt worden sein, dann können sich Arbeitnehmer und ihre Vertretungen bei der DAkkS beschweren. In einem entsprechenden Verzeichnis der DAkkS finden sie eine Beschreibung des DAkkS-Beschwerdeverfahrens.

BMAS: Mitbestimmung ist Voraussetzung für BGM

http://www.regierung.oberpfalz.bayern.de/download/gewerbeaufsicht/medz_arbeitsschutz/betriebl_gesundheitsmanagement/gabegs.pdf

[…] Ziel des Betrieblichen Gesundheitsmanagents (BGM)
Prävention muss als dauerhaftes und wirtschaftliches Instrument zum Schutz, zur Pflege und zur Förderung der Organisationsressource „Gesundheit“ verstanden werden: Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) birgt die Chance in sich, den gesetzlichen Pflichtauftrag nach ASiG und Arbeitsschutzgesetz und das unternehmerische Interesse an gesunden, motivierten und leistungsfähigen Mitarbeitern zu verbinden.
BGM setzt allerdings

  • eine Aushandlung zwischen Arbeitgeber und Betriebs- und Personalrat innerhalb des Betriebes [Mitbestimmung]
  • und den Willen zu einem kontinuierlichen und systemischen Vorgehen [Auditierbarkeit]

voraus.
Kennzeichnend ist die Entwicklung betrieblicher Rahmenbedingungen, Strukturen und Abläufe, die

  • eine gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeit und Organisation [Verhältnisprävention]
  • und die Befähigung zum gesundheitsförderlichen Verhalten der Mitarbeiter [Verhaltensprävention]

zum Ziel haben. […]

(psybel.de: Anmerkungen in eckigen Klammern und Hervorhebungen eingefügt, Layout verändert)
Quelle: Psychische Gesundheit im Betrieb,
Bundesministerium für Arbeit und Soziales Dezember 2011
,
Zitiert in: GABEGS, Ganzheitliches Betriebliches Gesundheitsmanagementsystem des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen
Vortrag in der Bayerischen Justizvollzugsschule SR am 21.11.2012
Dr. Beitner Gewerbearzt
Regierung der Oberpfalz – Gewerbeaufsichtsamt

Für die Mitbestimmung sind kompetente und sich proaktiv engagierende Arbeitnehmervertreter eine wichtige Voraussetzung.

Berater und Sachverständige

http://www.arbeitsschutz-konkret.com/#form

[…] Sie erstellen im Handumdrehen eine hieb und stichfeste Gefährdungsbeurteilung. Oder nutzen Sie noch heute die fix und fertige Powerpoint-Unterweisung für neue Mitarbeiter. 
Sie benötigen dafür keine teure Software und keinen teuren Berater. In diesem Paket finden Sie alle Dokumente, die Sie benötigen, um das zu machen, was von Ihnen verlangt wird. Und das völlig kostenlos! […]

Die Arbeitnehmervertretung muss solche Arbeitsschutzpakete nicht kritiklos hinnehmen. Das Zertifizierungsunternehmen Det Norske Veritas (DNV) warnt:

[…] Die herkömmlichen Vorgehensweisen zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen sind nur bedingt für die Ermittlung von psychischen Belastungen geeignet. […]

Die herkömmlichen Methoden bieten oft Checklisten an, die im technischen Arbeitsschutz ganz gut funktionieren, nicht aber im Bereich der psychischen Belastungen. Da geht nichts “im Handumdrehen”. Um vom Arbeitgeber geplante Arbeitsschutzprozesse zu überprüfen, brauchten Arbeitnehmervertretungen externen Sachverstand. Arbeitnehmervertretungen haben ein Recht auf Berater, die sich der Arbeitgeber also nicht so ohne weiteres sparen kann. In § 80 (3) BetrVG steht:

Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. 

Gute Sachverständige helfen der Arbeitnehmervertretung auch, ihr Recht auf externe Beratung durchzusetzen. Gegebenenfalls beantwortet der Prozess dieser Durchsetzung schon einige Fragen, zu deren Klärung eine externe Beratung beitragen soll.
Manchmal kann auch § 111 BetrVG herangezogen werden.

BG ETEM: Der Beitrag des Betriebsrats zur Arbeitssicherheit

http://etf.bgetem.de/htdocs/r30/vc_shop/bilder/firma53/jb_005_a05_2011.pdf (2005, Backup)
Inhalt:

Für wen ist diese Broschüre geschrieben? 4
Das Interesse der Arbeitgeber und Arbeitnehmer an der Arbeitssicherheit 6
Rechte und Pflichten des Betriebsrats in der Arbeitssicherheit 10
Das Verhältnis von Pflichten und Rechten zueinander 10
Die Pflichten im Einzelnen 13
Die Rechte 19
Freiwillige Betriebsvereinbarungen 36
Das praktische Vorgehen des Betriebsrats 37
Rechte wahren – aber wie? 37
Die richtige Organisation der Arbeitssicherheit 41
Gefährdungsbeurteilung 43
Unterweisungen und Arbeitsanweisungen 44
Betriebsanweisungen und Bedienungsanleitungen 45
Von den Sicherheitsbeauftragten lernen 46
Mit den Betriebsärzten und Sicherheitsfachkräften zusammenarbeiten 48
Sicher arbeiten mit Gefahrstoffen 52
Lärm und Vibrationen 57
Arbeitsmedizinische Vorsorge 62
Bildschirmarbeitsplatz, Telearbeit, Call-Center 71
Alkohol im Betrieb 80
Anhang 89
Die wichtigsten gesetzlichen Vorschriften, Verordnungen und UVVen
für den Betriebsrat 91
Wichtige Auszüge aus Gerichtsurteilen 141

Siehe auch: http://blog.psybel.de/betriebsrat-muss-gefaehrdungen-erkennen/

Vertraulichkeit bei AMS-Audits

In nach OHSAS 18001 auditierten Betrieben kann die Kommunikation zwischen Auditor und Arbeitgeber weitgehend am Betriebsrat vorbei laufen, wenn im Audit die Pflicht zur Vertraulichkeit falsch verstanden wird.
Interessant ist hier insbesondere der Abs. 2 in § 89 BetrVG:

  • Der Arbeitgeber und die in Absatz 1 Satz 2 genannten Stellen [d.h. die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen] sind verpflichtet, den Betriebsrat oder die von ihm bestimmten Mitglieder des Betriebsrats bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen und bei Unfalluntersuchungen hinzuzuziehen.
  • Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat auch bei allen im Zusammenhang mit dem betrieblichen Umweltschutz stehenden Besichtigungen und Fragen hinzuzuziehen und ihm unverzüglich die den Arbeitsschutz, die Unfallverhütung und den betrieblichen Umweltschutz betreffenden Auflagen und Anordnungen der zuständigen Stellen mitzuteilen.

Bei den “sonstigen in Betracht kommenden Stellen” denke ich z.B. an die mit hoheitlichen Aufgaben beauftragte DAkkS und an die bei ihr akkreditierten Zertifizierungsgesellschaften.
Es ist wichtig und richtig, wenn Auditoren dem auditierten Unternehmen Vertraulichkeit gegenüber Außenstehenden (Kunden, Mitbewerber usw.) zusichern. Der Betriebsrat ist aber kein Außenstehender. „Bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen“ kann aus meiner Sicht keine den Betriebsrat ausschließende Vertraulichkeit zwischen Auditor und Arbeitgeber gelten. Ich fände es darum merkwürdig, wenn es eine vertrauliche Kommunikation zwischen Auditor und Arbeitgeber gäbe, in die der Betriebsrat (bzw. die von ihm mit Aufgaben im Arbeitsschutz beauftragten BR-Mitglieder) nur teilweise einbezogen würde.

Keine Seelsorger

http://www.vbw-bayern.de/Redaktion-(importiert-aus-CS)/04_Downloads/Downloads_2012/08_PlaKo/Reden-BB/20121122-Gesundheitskongress_endg.pdf

bayme vbm
Die bayerischen Metall und Elektro-Arbeitgeber
2. Gesundheitskongress 2012
Donnerstag, 22.11.2012 um 10:00 Uhr […]
Mitarbeitergesundheit als Wettbewerbsfaktor
Bertram Bossert
Hauptgeschäftsführer
bayme – Bayerischer Unternehmensverband Metall und Elektro e.V.
vbm – Verband der bayerischeen Metall- und Elektro-Industrie e.V.
[…]

  • Während wir im Juni das Thema “Betriebliches Gesundheitsmanagement” auf bestimmte Zielgruppen im Betrieb fokussiert haben,
  • gehen wir heute das Thema als Führungsaufgabe an.

[…]
Unternehmer und Führungskräfte sind

  • weder Therapeuten
  • noch Sozialarbeiter
  • noch Seelsorger

Es entspricht aber der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, Auffälligkeiten bei Mitarbeitern zu bemerken und Betroffene sozusagen als Lotsen in die bestehenden Versorgungsstrukturen weiter zu vermitteln, die durch die Sozialsysteme zur Verfügung gestellt werden –

  • seien es Coaches
  • Sozialberater oder
  • andere lokale Dienstleister, die spezialisiert sind auf die menschliche Psyche

Aufgabe von uns Verbänden wird es sein, ein Netzwerk von Spezialisten aufzubauen, das unsere Unternehmen in die Lage versetzt, ihre Lotsenfunktion zu den Vorsorgeeinrichtungen und verfügbaren Spezialisten wahrzunehmen.
Denn eines ist klar: Ein psychisch erkrankter Mitarbeiter ist für unsere Unternehmen ebenso ein Kostenfaktor, wie ein körperlich erkrankter Mitarbeiter. […]

Bertram Bossert will Lotse sein. Aber wohin will er steuern? Das Ziel, das er eigentlich anzusteuern hätte, scheint nicht auf seinem Kurs zu liegen: Mit keinem Wort erwähnt er den Arbeitsschutz, dessen Vorschriften die Pflichten der Mitglieder seines Vereins zu befolgen haben. Es entspricht der Pflicht des Arbeitgebers, im Rahmen des Arbeitsschutzgesetzes Auffälligkeiten bei den Arbeitsplätzen zu bemerken und auf Mitarbeiter wirkende Fehlbelastungen zu mindern, bevor diese Mitarbeiter zu psychisch erkrankten “Betroffenen” werden.
Ich nehme einmal an, dass Bertrand Bossert weiß, dass die Minderung psychischer Fehlbelastungen eine Aufgabe des Arbeitsschutzes ist. Es wäre dann kein Zufall, dass er den Arbeitsschutz in seiner Rede nicht erwähnt. Bossert braucht ersteinmal selbst einen Lotsen, der ihm und seinen Vereinsmitgliedern hilft, mehr Respekt für die Gesetze und Vorschriften des Arbeitsschutzes zu entwickeln. In immer mehr Betrieben übernehmen die Arbeitnehmervertreter selbst diese Lotsenarbeit.
Das wird eine Lotsenarbeit im Arbeitsschutz sein und nicht zuerst in “Vorsorgeeinrichtungen”. Was diese Einrichtungen sein sollen und wer sie bezahlt, wird bei Bossert nicht klar. Sollen hier wieder Kosten vergesellschaftet werden? Wenn es um Arbeitsschutz ginge, dann hätten die Arbeitgeber die Kosten dafür zu tragen.
Suche: http://www.vbw-bayern.de/vbw/Suche.jsp.is?queryText=psychische&co=2

Psychologische Kampfführung

Der Einbezug psychischer Belastung in den Arbeitsschutz hat auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretern. Manche hergebrachten Führungsmethoden müssten heute eigentlich in einer Gefährdungsbeurteilung beschrieben werden.
Beispielsweise kann der Arbeitgeber in den Besprechungen zwischen beiden Seiten sich weigern, zusammen ein Life-Protokoll so zu führen, wie das in den Projekt-Meetings in seinem Betrieb bereits seit einiger Zeit mit Laptop-Computer und Projektor gemacht wird. Ohne lästiges Protokoll kann der Arbeitgeber dann beim nächsten Meeting behaupten, dass über bestimmte Themen, für die er die Verantwortung hat, nicht so gesprochen wurde, wie der Betriebsrat das protokolliert hatte.
Der Arbeitgeber hat natürlich das Recht, Protokolle nicht so professionell führen zu lassen, wie das seine Mitarbeiter im sonstigen Geschäft mit professionellen Meeting Minutes tun. Seine unternehmerische Freiheit gibt ihm die Möglichkeit, hier dem Betriebsrat einmal zu zeigen, dass die Sitzungen mit dem Betriebsrat es nicht wert sind, so protokolliert zu werden, wie das in ernsthaften Besprechungen üblich ist.
John Tenniel (for Lewis Carroll): Mad Tea-Party
Damit Besprechungen, zu denen keine Ergebnisse verbindlich festgehalten werden dürfen, die Teilnehmer nun nicht allzusehr psychisch fehlbelasten, kann man wenigstens ein Tässchen Tee miteinander schlürfen.

Unzureichende Gefährdungsbeurteilungen bei der Bahn

Ich höre gerade in in BR5 (etwa 09:05), dass Alexander Kirchner (Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG) zufolge bei der Lösung der Überlastungsprobleme der Bahn “die Betriebsräte nicht nur alleine, sondern auch die Beschäftigten einbezogen werden” sollen. Das sei ein Novum. Gab es denn bisher keine Umfragen zu Fehlbelastungen, in die die Mitarbeiter “einbezogen” wurden? Selbst die Gewerkschaften stellen immer noch nicht diese wichtige Frage zum Arbeits- und Gesundheitsschutz.
Vielleicht sollte Kirchner noch einmal über die Aufgaben und Kompetenzen von Betriebsräten nachdenken. Dazu gehört, dass Betriebsräte sich für ordentliche Gefährdungsbeurteilungen einsetzen und die Gewerbeaufsicht bei Betriebskontrollen auf psychische Fehlbelastungen aufmerksam machen, die den Mitarbeitern schaden könnten.
Betriebsräte können, wenn sie kompetent genug sind, Positionen beziehen, die für einzelne Mitarbeiter zu gefährlich sind. Arbeitnehmervertreter können fehlbelastete Mitarbeiter vor mehr oder weniger subtilen Repressalien schützen. Daran sollten Mitarbeiter denken, die vom Arbeitgeber zu “persönlichen” Gesprächen zur Arbeitsbelastung eingeladen werden. Die Fürsorge des Arbeitgebers wird zu leicht zum Danaergeschenk. Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber den Schwerpunkt der betrieblichen Gesundheitsförderung auf die Verhaltensprävention setzt.
Belastungsthemen sind Arbeitsschutzthemen. Darum können Mitarbeiter zu Gesprächen darüber ein Mitglied des Betriebsrates hinzuziehen. Das gilt auch für Arbeitsplatzbegehungen. Voraussetzung für eine gute Betreuung der Mitarbeiter durch Betriebsräte ist allerdings, dass die Arbeitnehmervertreter an Belastungsthemen nicht mit der gleichen Hobbypsychogie herangehen, wie viele Arbeitgeber. Auch heute noch sind viele Betriebsräte überfordert, wenn Arbeitgeber ihre Mitarbeiter mit verhaltenspräventiven Maßnahmen “fürsorglich” beglücken anstatt ihre Arbeitsorganisation verhältnispräventiv in Ordnung zu bringen. Aus dem Arbeitsschutzgesetz ergibt sich: Wenn es um Belastungen geht, dann kommen zunächst nicht die Mitarbeiter auf die Couch, sondern die Arbeitsbedingungen!
Alexander Kirchner hat möglicherweise noch nicht begriffen, dass in Mainz wieder einmal Probleme zutage getreten sind, die längst in Gefährdungsbeurteilungen hätten dokumentiert werden müssen. Wenn das nicht passiert ist, dann wäre das ein klarer Rechtsbruch! Den hätte dann auch die EVG mitzuverantworten: Wie soll die Gewerbeaufsicht Probleme erkennen, wenn die bei Begehungen anwesenden Arbeitnehmervertreter sie nicht in gut dokumentierter Weise auf Fehlbelastungen der Mitarbeiter aufmerksam macht? Wie die Gewerbeaufsicht werden aber wohl auch die Betriebsräte und die Gewerkschaft in der Nachschau nicht zu Erkenntnissen gelangen wollen, die ihre bisherige Überforderung im Arbeitsschutz deutlich macht.
Von psychische Fehlbelastungen verursachte Schäden können erst viele Jahre nach fehlbelastenden Situationen sichtbar werden. Wenn vergangene Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz selbst von den Betriebsräten und Gewerkschaften nicht erkannt und dokumentiert werden, dann verraten sie die Mitarbeiter, denen ein ausreichender Schutz durch das Arbeitsschutzgesetz verwehrt wurde. Das ist verantwortungslos.
 
Interessanter Link: http://www.bahnvonunten.de/

Audit-Ankündigung an den Betriebsrat

Hier wirkt der Betriebsrat aktiv an Zertifizierungsaudits nach OHSAS 18001 mit: In den Niederlanden müssen die Betriebsräte bei Audits nach dem SCCM-Schema spätestens drei Wochen vor einem Audit informiert werden und können eigene Feststellungen in das Audit mit einbringen, und zwar nach ihrer Wahl entweder an den Arbeitgeber oder direkt an die Zertifizierungsgesellschaft. In Deutschland sind viele Betriebsräte noch zu schüchtern dafür – soweit sie überhaupt begriffen haben, was ein OHSAS 18001 Zertifikat für sie bedeutet. Leider zeigen auch die deutschen Zertifizierungsgesellschaften wenig Interesse daran, Betriebsräte aktiv an Audits mitwirken zu lassen.
http://www.sccm.nl/sites/default/files/O11-SCCM_N110830_cert.schema_OHSAS_18001_ENG_7Feb13.pdf (Annex 6, S. 57-58)

[…] We hereby notify you that the certification body <name> will shortly be assessing whether our occupational health and safety system meets the requirements in the OHSAS 18001 standard. One of the requirements in the standard is internal communication between the various levels and positions in the organization. We would therefore like to offer the opportunity to the works council/personnel representatives to put forward points for attention for the audit, such as guaranteeing compliance with legal requirements by means of our OHS management system.
We would like you to fill out the attached questionnaire and return it to the OHS coordinator. We will use your responses to improve the OHS management system. It will also be passed on to the certification body (of course you may send a copy directly to the certification body). The certification body will incorporate any remarks in performing this audit. The certification body will then come to an impartial assessment based on the OHSAS 18001 standard and the SCCM certification scheme. […]

Betriebsrat als Lösungsinstrument

http://www.kulturwandel.org/projekte/der-betriebsrat-als-loesungsinstrument/index.html

Betriebsrat als Lösungsinstrument
Betriebsräte haben mit einem schlechten Ruf zu kämpfen, insbesondere auf Seiten der Arbeitgeber. Dabei können die Arbeitnehmervertreter wichtige, innovative Multiplikatoren sein. Die Rolle als Verhinderer, die ihnen häufig zugesprochen wird, entspricht nicht unbedingt der Realität.
Gut zu sehen ist das am Beispiel eines DAX-notierten Unternehmens, mit dem wir im Rahmen des Kulturwandel-Projektes in Kontakt standen. Ein neu eingesetzter CEO hatte dort eine Lean-Strategie umgesetzt, die nachweislich negative Folgen für das Betriebsklima hatte. Auch gut funktionierende Abteilungen mussten sich der neuen Strategie beugen. In der Folge fühlten sich Mitarbeiter stark in ihrer Handlungsautonomie beschnitten. Sie empfanden deutlich weniger Selbstwirksamkeit – die beabsichtigten „Optimierungen“ durch die neuen Lean-Standards hatte beim Betriebsklima eine gegenteilige Wirkung nach sich gezogen.Verschlechterung zeigte sich von Abteilung zu Abteilung unterschiedlich stark, aber doch drastisch im unternehmensinternen Stimmungsbild. []