Gesundheitsmanagement für antiquierte Menschen

http://www.heise.de/tp/artikel/36/36609/1.html

Gesundheitsmanagement für mehr Arbeit und weniger Personal?
Birgit v. Criegern 20.03.2012
Prävention im Betrieb entspricht einer wachsenden Management-Sparte. Während Personal weiter reduziert wird und Arbeitsdruck steigt, fühlt man sich an “Human Engeneering” erinnert
Über den Gesundheitsbericht der Berliner Innenverwaltung im Februar zum Krankenstand im öffentlichen Dienst wurde ausführlich und mit alarmierendem Unterton berichtet: Sieben Wochen im Jahr seien die Bediensteten im Schnitt krankgeschrieben gewesen, das heißt: doppelt so lang wie Berliner Beschäftigte anderer Bereiche. Und für 2010 seien zweieinhalb Fehltage mehr verzeichnet worden als im Jahr davor. Empfehlungen von Gesundheitsmanagement kamen jetzt wieder zum Zug. Der Blick auf Beraterbroschüren zeigt jedoch, dass die betriebliche Prävention von Kosten- und Personalsenkungsplänen begleitet wird. Der allgemeine Trend erinnert an “Human Engeneering” gemäß dem Philosophen Günther Anders. …

… Auffällig ist nach den Gesundheits- (oder Krankheits-) berichten des letzten Jahres, dass man wachsenden Arbeitsdruck sogar allgemein eingesteht, aber strukturelle Änderungen verwirft. Weniger Arbeit kann und soll nicht gedacht werden. Und offenbar soll auch von Mehrbeschäftigung kaum mehr die Rede sein. …

… Mit dem spätfordistisch anmutenden Konzept des Gesundheitsmanagements am Arbeitsplatz könnte eben auch der Anspruch bedient werden, berufliche Sicherheit, gesellschaftliche Wertigkeit und Gesundheit zu vereinbaren.
Human Engineering
Solcher Anspruch erinnert, unter dem heutigen allgemeinen Wachstumszwang und dem akzeptierten höheren Arbeitsdruck, an das “human engeneering”, wie es der Philosoph Günther Anders in seiner kulturell-psychologischen Ausführung “Die Antiquiertheit des Menschen. Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution” (1956, Beck) konstatierte.
Eine tragende These seines Buches ist, dass der Mensch in der Zeit der industriellen Serienproduktion und der technischen Höchstleistungen – und maßgeblich auch der atomaren Forschung – nicht mehr seelisch auf dem Laufenden, “up to date” mit seinen Produkten sei. Antiquiert sei der zeitgenössische Mensch insofern, als er mit der technischen Produktion und mit der Verwertung alles Verwertbaren fortfahre, ohne die menschheitliche Auswirkung dieser Tätigkeit ins Auge zu fassen und sein Tun neu infrage zu stellen, und zurück zu steuern. Vielmehr hegte man, so der Autor, bei der fortgeführten technischen Produktionstätigkeit den Wunsch, sich der Perfektion der Dinge anzugleichen. …

(Hervorhebungen nachträglich eingetragen)
Siehe auch: http://www.google.de/search?q=Günther-Anders+Antiquiertheit
.

Schreibe einen Kommentar