Arbeitsschutz wird im BGM marginalisiert

http://www.ptext.org/nachrichten/betriebliches-gesundheitsmanagement-werkzeug-psychische-erkrankung-297007

Betriebliches Gesundheitsmanagement als Werkzeug gegen psychische Erkrankung
12.01.2012 – 07:00 – Kategorie (bei ptect.org): HR – Personalwesen – (ots)
Laut Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) werden Arbeitnehmer in Deutschland immer häufiger und länger wegen psychischer Erkrankungen krankgeschrieben. Mittlerweile gingen rund 12% aller betrieblichen Fehltage auf psychische Erkrankungen zurück. Gesundheitsförderung im betrieblichen Umfeld kommt beim Thema psychischer Erkrankungen laut einer offiziellen BPtK-Studie zur Arbeitsunfähigkeit von 2011 (“Psychischer Erkrankungen – keine Frage des Alters”) eine wichtige Rolle zu: Sie könne von einer fundierten Aufklärung über psychische Erkrankungen bis hin zu Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen reichen. Mit dem Ziel, psychische Erkrankungen zu enttabuisieren, damit sie frühzeitig angesprochen und erkannt werden. “Besonders wichtig für die Prävention psychischer Erkrankungen, so Prof. Dr. Bernhard Allmann, Professor der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement und BGM-Experte, ist es, ein Klima der Wertschätzung im Unternehmen zu erhalten bzw. zu erreichen.”
Soll Gesundheitsförderung im betrieblichen Umfeld langfristig erfolgreich sein, ist ein unternehmensspezifisches Gesamtkonzept notwendig. “Im Sinne eines betrieblichen Gesundheitsmanagements wird die Grundlage gelegt, dass genau die gesundheitlich relevanten Umstände entdeckt, ausgewertet und mit passenden praktischen Maßnahmen (z. B. Rückenschule am Arbeitsplatz, Stresskompetenztraining etc.) angegangen werden können, die im Betrieb relevant sind”, so Allmann.
Die richtigen regionalen Ansprechpartner für BGM-Projekte liefert die bundesweite Initiative “Gesundheit im Betrieb selbst gestalten“, die vom Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen und der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement initiiert wurde. Das Netzwerk liefert zusätzlich Bildungslösungen: “Fachkraft für betriebliches Gesundheitsmanagement (IHK)”, “Berater für betriebliches Gesundheitsmanagement”, “Master in Prävention und Gesundheitsmanagement” mit Schwerpunkt BGM.
Mit dem Thema BGM wird sich auch der 6. GETUP-Kongress am 21. und 22. April 2012 beschäftigen. Unter den Referenten sind u.a. Dr. Volker Hansen, Leiter der Abteilung Soziale Sicherung bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, und Martin Espenhahn, Leiter Personal- und Sozialwesen bei einer Kokerei der ThyssenKrupp Steel Europe AG.

(Links nachträglich eingefügt)
Da der Arbeitsschutz das gesetzliche “Werkzeug” gegen psychische Erkrankung ist, aber von der Mehrheit der Arbeitgeber missachtet wird, ist es wohl kein Zufall, dass
er hier unerwähnt bleibt.
Aus den Arbeitsschutzregeln und dem Betriebsverfassungsgesetz ergibt sich auch eine starke Mitbestimmunspflicht der Arbeitnehmer. Im Gesundheitsmanagement gibt es viele freiwillige Leistungen der Arbeitgeber, die nicht in gleichem Maß mitbestimmunspflichtig sind. (Will der Betriebsrat mitbestimmen, so kann der Arbeitgeber einfach auf freiwillige Maßnahmen verzichten.) Ein in interner und externer Unternehmenskommunikation in bunten Druckschriften und Websites beworbenes “Gesundheitsmanagement” (“Tue Gutes und rede darüber”) mit vielen Vorzeigeakltionen einerseits und marginalisiertem Pflichtteil (Arbeitsschutz) andererseits ist der Versuch der Arbeitgeber, die Mitbestimmung der Arbeitnehmer beim Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz und das Gesundheitsmanagement zu schwächen.
Was ist so wichtig an der Mitbestimmung?
Mit ihr wird beispielsweise vereinbart, was worin sich in einem Betrieb legitime Belastungen von risikoreichen Fehlbelastungen unterscheiden. Es gibt hier zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern unterschiedliche Auffassungen. Wird die Mitbestimmung behindert, dann ist ein funktionierender Arbeitsschutz nicht mehr gewährleistet.
Denken sie immer daran: Die Statistik zeigt, dass nicht wirtschaftliche oder ethische Gründe den Arbeitsschutz vorantreiben, sondern dass entgegen allen Beteuerungen der Arbeitgeber die Notwendigkeit, Vorschriften zu beachten, der Hauptmotivator ist. Mit einer entsprechenden Einstellung wird die Mehrheit der Arbeitgeber also an das Gesundheitsmanagement herangehen. Ihr Hauptziel ist Rechtssicherheit und die Minderung von Haftungsrisiken. Das Wohl der Mitarbeiter kommt zwar nicht an letzter Stelle, aber das Wohl der Investoren, Kostensenkung und die rechtliche Absicherung der Unternehmensführung haben höhere Priorität. Das Gesundheitsmanagement dient hier zum Vorzeigen gut ausehender Maßnahmen zur “Gesundheitsförderung” und gleichzeitig zum Verschleiern der Pflichtverletzungen im Arbeitsschutz.

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