1999: Berufsgenossenschaft gegen AMS-Zertifizierung

Steine + Erden ist das Fachmagazin für Prävention der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) in der Branche Baustoffe – Steine und Erden. Im Jahr 1999 veröffentlichte das Magazin in der Ausgabe 4/99 diese Position (http://www.steine-und-erden.net/se499/managmnt.htm):

Arbeitsschutzmanagement:
Zertifizierung weiterhin nicht erforderlich
Die Betriebe der gewerblichen Wirtschaft werden vielfach gedrängt, ein Arbeitsschutzmanagementsystem einzuführen und zertifizieren zu lassen. Dabei wird vergleichsweise auf entsprechende Praktiken in der Qualitätssicherung und im Umweltschutz verwiesen. Auf diesen Gebieten existieren internationale Normenreihen (ISO 9001 und 14001 M). Im Arbeitsschutz ist die Situation jedoch anders: Die Sozialpartner, die staatlichen Arbeitsschutzbehörden und die Berufsgenossenschaften lehnen eine Normung und Zertifizierung von Arbeitsschutzmanagementsystemen ab. Die Freiräume der Unternehmer zur Organisation ihres Betriebes – auch in Sachen Arbeitsschutz – dürfen nicht durch Normen reguliert und damit eingeengt werden. Außerdem würden Normen zu faktischen Zertifizierungszwängen führen und damit den Betrieben nicht unerhebliche Kosten verursachen. Arbeitsschutz ist ein gesetzlicher Auftrag an die Unternehmer. Wie der einzelne Unternehmer dieser Verpflichtung, die in staatlichen Verordnungen sowie in Unfallverhütungsvorschriften konkretisiert ist, nachkommt und wie er den Arbeitsschutz in seinem Betrieb organisiert, liegt in seiner Verantwortung.
Nunmehr versuchen einige Organisationen, insbesondere aus dem Kreis der privaten Zertifizierer, auf internationaler Ebene mit einer normenähnlichen Publikation (OHSAS 18001: 1999 Arbeitsschutzmanagement – System-Beschreibung) die ablehnende Haltung gegenüber der Normung zu umgehen, offensichtlich um das Feld für Zertifizierungen vorzubereiten. Es ist nicht auszuschließen, daß die Publikation zum Anlass genommen wird, insbesondere mittleren und kleinen Betrieben die Zertifizierung von Arbeitsschutzmanagementsystemen verstärkt anzubieten. Damit würden bei den Betrieben Kosten verursacht, die nicht notwendig sind.
Arbeitsschutzmanagementsysteme sind – darüber besteht kein Zweifel – ein wirksames Instrument zur Verbesserung des Arbeitsschutzes. Mit ihnen kann der Arbeitsschutz wirkungsvoll in den Betrieb integriert werden. Die Einführung von Arbeitsschutzmanagementsystemen ist jedoch freiwillig; das heißt, die Betriebe sind weder durch die staatlichen Arbeitsschutzbehörden noch durch die Berufsgenossenschaften verpflichtet, Arbeitsschutz-Managementsysteme einzuführen, und erst recht nicht, sie zertifizieren zu lassen. Demzufolge kann eine von einer privaten Institution vorgenommene Zertifizierung auch keinen Einfluss auf die Überwachung des Betriebes durch die Berufsgenossenschaften haben.

Dass die AMS-Standards zu faktischen Zertifizierungszwängen führen, ist bereits beobachtbar. Die BG hat Bedenken wegen der Kosten. Nach der bisherigen Schlamperei speziell beim Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz wird es es aber nun unvermeidlich sein, an das Thema in einem Rahmen hernzugehen, der es auditierbar macht. Leider gibt es wegen der Natur des Zertifizierungsgeschäftes auch hier Probleme: Ich mache mir weniger um die Kosten Sorgen, sondern um die falsche Sicherheit, die durch schlechte Audits entsteht. Zertifikate für OHSAS 18001:2007 sind beispielsweise auch an Unternehmen vergeben worde, die in ihrem Arbeitsschutz keine Prozesse für den Umgang mit psychischen Belastungen vorweisen konnten und deren AMS-Handbücher auch nach dem 30. Juni 2009 noch auf dem Stand des OHSAS 18001:1999 waren.
Darum brauchen wir aufmerksame und kräftige Betriebsräte.
 


2012-10-07:
In die gleiche Richtung geht http://www.kan.de/fileadmin/user_upload/docs/Fachbeitraege/Fachbeitraege_DE/AMS-Metze.pdf

Arbeitsschutz-Management-Systeme (AMS) als Hilfen
für eine sichere Organisation des Arbeits- und
Gesundheitsschutzes
von E. Metze

Keine Normung von Arbeitsschutz-Management-Systemen

angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008
S. 27-28

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